ZIDline
LectureTube - Streaming Media in der Lehre
Andreas Hruska
Teaching Support Center der Technischen Universität Wien

LectureTube ist der Name des neuen Lehrentwicklungsprojektes des Teaching Support Center (TSC, ehemals E-Learning Zentrum) in Kooperation mit dem ZID und dem Büro für Öffentlichkeitsarbeit. Es beschäftigt sich mit den Einsatzmöglichkeiten von Streaming Media in der Lehre.

Das mittelfristige Ziel ist die Verbesserung der Studienbedingungen besonders in stark besuchten Lehrveranstaltungen (LVA), für berufstätige Studierende und für Studierende mit speziellen Bedürfnissen (Sprache, Behinderung, Karenz, …). Dazu wird in diesem Pilotprojekt das notwendige Know-how für eine nachhaltige Implementierung von Streaming Media Services in der Lehre erarbeitet. Das Projekt wurde im Dezember 2009 gestartet und schließt mit der ersten Stufe im Juli 2010 ab. Für das Wintersemester 2010/11 ist ein Ausbau von LectureTube als Service des TSC mit erweiterten Funktionen und weitgehender Automatisierung auf Basis der Erfahrungen des Sommersemesters geplant.

Projektteam

Das Projekt wird von Dipl.-Ing. Andreas Hruska vom Teaching Support Center geleitet. Im Projektteam sind Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus drei Organisationseinheiten eingebunden. Das Team des TSC (Andreas Hruska, Katarzyna Potocka, Gergely Rakoczi) unterstützt die Lehrenden bei der Durchführung der Aufnahmen, dem Publikationsprozess sowie der Einbindung in das LVA-Konzept, der Weiterentwicklung desselben sowie der Auslieferung über TUWEL. Michael Kölbl vom Büro für Öffentlichkeitsarbeit bringt das notwendige Know-how bezüglich Videocodierung ein. Michael Roth vom ZID betreut den Wowza Media Server, der die LectureTube Videos ausliefert.

Recording Workflow

Abbildung 1: LectureTube Recording Workflow

Im Sommersemester 2010 werden vier Pilotlehrveranstaltungen aufgezeichnet. Dabei wird das VGA/DVI Ausgangssignal des Präsentationscomputers mit einer Aufnahmeeinheit – dem Lecture-Recorder – synchron mit bis zu zwei Audiokanälen – primär dem gesprochenen Wort der/des Vortragenden – aufgezeichnet (Abb. 1). Das Livebild erscheint dabei wie gewohnt über den Beamer auf der Leinwand. Auf dem Präsentationscomputer ist dazu keine zusätzliche Hardware, Software oder Einstellung notwendig. Der Lecture-Recorder ist derzeit eine mobile Einheit, die von einer Person betreut wird, welche sich um das Setup sowie den Aufnahmeprozess kümmert.

Es wurden zwei unabhängige VGA-Aufnahmeeinheiten von Epiphan (Lecture-Recorder und DVI2USB), zwei Präsentationsdisplays mit Stifteingabe Wacom PL-900, zwei Funkmikrofonsets AKG WMS40 und zwei Dokumentenkameras von Elmo L-1ex  sowie nötiges Kleinteilzubehör angeschafft, die in den LVAs auf Leihbasis zum Einsatz kommen. Zusätzlich wird eine Option mit der rein softwarebasierten Lösung Camtasia getestet.

Input-Optionen

Abbildung 4: Powerpoint mit Präsentationsdisplay

Die Lehrenden erhalten neue Input-Möglichkeiten und Tools, die eine flexible Nutzung verschiedener Medien sicherstellen und so die Umsetzung sowohl altbewährter als auch neuer didaktischer Konzepte ermöglichen.

Das Präsentationsdisplay Wacom PL-900 ermöglicht,  handschriftliche Eingaben auf natürliche Art und Weise mit einem Stift direkt auf einem robusten 19 Zoll Bildschirmtablett zu machen und so jeden vorhandenen Bildschirminhalt zu annotieren oder wie mit Papier und Bleistift direkt am Computer zu arbeiten (Abb. 4).

Die Java Software Jarnal (Abb. 5) bietet dabei erweiterte Funktionalitäten für das „Papier“ in der Rolle eines intelligenten Notizblocks, der mehrseitig beschrieben aber auch mit bereits vorhandenen digitalen Abbildungen ergänzt werden kann.

Wenn live Bildschirminhalte annotiert werden sollen, bietet ZoomIt für Windows eine einfache Möglichkeit, den Bildschirm zum Beschriften einzufrieren und auch auf Teilbereiche zu zoomen.

Für alle, die am liebsten auf echtem Papier arbeiten und auch Realgegenstände oder Experimente zeigen wollen, steht die Dokumentenkamera Elmo L-1ex zur Verfügung. Diese arbeitet als „Webcam“ mit robuster Ausführung und optischem Zoom und bringt die reale Welt live auf den Monitor und  in das LectureTube Video (Abb. 6).

Abbildung 5: Jarnal und Präsentationsdisplay
Abbildung 6: Dokumentenkamera

Publikationsprozess

Abbildung 2: LectureTube Publishing Workflow

Der Lecture-Recorder wird über ein Webinterface bedient und zeichnet das auf eine Auflösung von 800x600 Pixel skalierte VGA/DVI Signal als mp4-Video in einem avi-Container mit ca. 2 bis 5 Bildern pro Sekunde und zwei getrennten Audiokanälen auf. Die avi-Datei wird mit dem Java-basierten Videokonvertierungstool Handbrake in das mp4-Container-Format gebracht, und die Audiokanäle zu einem Mono-Kanal gemischt. Die Videodatei ist ca. 96MB pro Stunde Laufzeit groß und benötigt ca. 200-250kBit pro Sekunde Bandbreite. Das Publizieren erfolgt durch das Hochladen der Datei auf einen SAMBA-Share am Wowza Streaming Server und durch das Einbinden des Videos in den TUWEL-Kurs mittels des Moodle FLV Players (Abb. 2).

Um das Video zu nutzen, ist nur ein Browser mit Flash Plugin und Internetanbindung notwendig. Auch das Einbinden von Timed-Text Untertiteln ist möglich. Ein Startscreen mit den Lehrveranstaltungseckdaten und einem Foto des/der Lehrenden liefert Kontextinformationen, bis das Video abspielbereit ist. Zur besonderen Berücksichtigung der Aspekte der Barrierefreiheit in den weiteren Ausbaustufen werden wir auch von Prof. Zagler vom Institut „Integriert Studieren“ unterstützt.

Pilotlehrveranstaltungen

Abbildung 3: Startscreen

Im Sommersemester 2010 nehmen folgende Lehrveranstaltungen am LectureTube-Projekt teil:

  • 188.391 Objektorientierte Modellierung – Prof. Huemer – Blöcke mit live Vortrag, Powerpoint und Dokumentenkamera Elmo L-1ex
  • 242.002 CAD – Dr. Schranz – offline aufgezeichnete Software Tutorials
  • 309.020 Mechanik 2 – Prof. Schmiedmayer – wöchentliche Vorlesung mit Powerpoint, Jarnal, Präsentationsgrafiktablett, Webcam, … (Abb. 3)
  • 383.041 Kommunikationstechnik für behinderte und alte Menschen – Prof. Zagler – Lecture-Recorder & Camtasia

Insgesamt wurden im März und April 2010 ca. 40 Stunden Video (Screen + Ton) aufgezeichnet – dies entspricht ca. 4 Gigabyte Daten auf dem Streaming Server, von dem im Rahmen der LectureTube-Veranstaltungen in diesen zwei Monaten ca. 4 Terabyte an Endbenutzer/-innen gestreamt wurden.

Aus den bisherigen Erfahrungen sehen die Lehrenden die im Rahmen von LectureTube angebotenen neuen Möglichkeiten als einen mit sehr moderatem Aufwand verbundenen Weg, ihren Lehrveranstaltungen eine neue Qualität zu verleihen und Studierende zu fördern und zu fordern.

Studierendenfeedback

Die Analyse der Zugriffsdaten auf die LectureTube-Videos zeigt, dass die Studierenden die gestreamten Videos aktiv als Lernressource nutzen. Besonders dann, wenn diese Ressource in einer zeitnahen Aufgabe zur Lösung notwendig ist, nutzen zwischen 40% und 75% dieses neue Lernmaterial innerhalb von zwei Wochen nach Veröffentlichung. Auch im Rahmen einer Vorlesung nutzen 20%-40% der Studierenden die Videos, jedoch über einen längeren Zeitraum verteilt (Abb. 7 und 8). Weitere Erkenntnisse werden die detaillierte Auswertung des Nutzungsverhaltens nach Ende der Lehrveranstaltungen und der Prüfungszeit im Sommersemester 2010 sowie Interviews mit den Studierenden ergeben.

Die Studierenden haben auch bereits aktives Feedback über die Foren der TUWEL-Kurse und direkt an die Lehrenden gegeben. Dazu folgende Originalzitate (Folien bezieht sich dabei auf die LectureTube-Video-„Folien“ mit Originalton des Vortragenden):

Es hat mir sehr geholfen, wenn mir die Folien in der Vorlesung zu schnell am Kopf vorbeigeflattert sind, diese zu Hause in Ruhe nochmals auf mich einwirken zu lassen.

Auch vor Prüfungen und Tests ist es eine absolute Bereicherung, sich bei Unklarheiten nochmals die eine oder andere Folie zu Gemüte führen zu können.

Natürlich wär es jetzt noch toll, wenn man sich diese Streams auch herunterladen und offline ansehen könnte, da man ja nicht immer Zugang zum Internet hat und schon gar nicht immer Breitband.

LectureTube ist ein tolles Projekt, das ich nicht mehr missen möchte.

Abbildung 7: LectureTube Video-Nutzung
Abbildung 8: LectureTube Video-Nutzung zeitlicher Verlauf

Ausblick

Bis zum Abschluss der ersten Stufe des LectureTube-Projektes im Sommer 2010 wird noch die Open Source Lösung Opencast/Matterhorn (ETH Zürich, Cambridge, Berkeley, …) evaluiert und getestet, die einen Großteil der Aufnahme-, Konvertierungs- und Publikationsprozesse automatisiert (Abb. 9 und 10). Zusätzlich wird die Nutzung durch die Studierenden detailliert analysiert und weiteres Feedback von Lehrenden und Studierenden eingeholt. Mit fix in ausgewählten Hörsälen installierten Aufnahmeeinheiten – zusätzlich zu den derzeit mobilen Einheiten – wird sich der Personalaufwand für die Aufnahme und das Publizieren noch weiter reduzieren lassen. Eine automatische Indizierung der Videos auf Basis automatischer Bilderkennung und Audioanalyse wird zusätzlichen Mehrwert und Barrierefreiheit bringen. Als State-of-the-Art Lösung wird sowohl die Einbindung in TUWEL als auch soziales Taging von Sprungstellen innerhalb der Videos durch Lehrende und Studierende verfügbar sein. Dies ermöglicht sowohl die rasche Korrektur von Fehlern, als auch das Hervorheben besonders nützlicher Sequenzen.

Mit der für Sommer 2010 angekündigten Release von Opencast/Matterhorn, der über den Sommer neu anzuschaffenden Aufnahme-Hardware sowie den bisher gesammelten Erfahrungen wird im Wintersemester 2010 das neue Service des Teaching Support Center im erweiterten Pilotbetrieb angeboten werden.

Wenn Sie Interesse haben, an LectureTube teilzunehmen, wenden Sie sich bitte direkt an

support@tuwel.tuwien.ac.at

Lehrende der TU Wien erhalten dann Zugang zu den weiterführenden Informationen im LectureTube-Projektkurs in TUWEL sowie persönliche Beratung für den Einstieg in die Lehre mit Streaming Media.

Abbildung 9: Matterhorn Workflow
Abbildung 10: Opencast Matterhorn Preview