ZIDline
MoreSpace - Mehr Raum für die Lehre durch dynamische ereignisorientierte Simulation der Raumbelegung
Felix Breitenecker, Shabnam Tauböck, Institut für Analysis und Scientific Computing
Gerald Hodecek, Karim Shebl, Gebäude und Technik
Dietmar Wiegand, Sanja Mesic, Stefan Emrich, Inst. f. Städtebau, Landschaftsarchitektur u. Entwerfen
Nikolas Popper, „die Drahtwarenhandlung“ Simulation Services

„More Space“ ist ein Simulationsprojekt der etwas anderen Art. Die Abteilung Gebäude und Technik versucht dabei gemeinsam mit zwei ganz unterschiedlichen TU Instituten – Mathematikern und Architekten – neue Lösungen im Bereich Simulation von Flächennutzung zu entwickeln. Grund: Das Projekt „TU Univercity 2015“ verlangt neben viel Umbauarbeiten und Neustrukturierungen auch neue Konzepte, wie mit Flächen effizient umgegangen werden kann. So sollen für alle Beteiligten mehr Flächen zur Verfügung stehen, um neue Nutzungen zu ermöglichen, ohne die Kosten zu erhöhen. Das Simulationsmodell soll dabei helfen. Möglich wird das durch ein innovatives Modell, das trotz der Komplexität gut mit den Daten identifizierbar ist, und durch neue Flächenmanagementansätze, die etwa flexible Raumstrukturen ermöglichen sollen.

Einleitung

Im Rahmen der Projektes „TU Univercity 2015“ werden neue, verbesserte Raumstrukturen auf dem Gelände der TU Wien geschaffen. Gebäude und Technik – GUT, Fachbereich Projektentwicklung und Projektmanagement – RED – am Institut für Städtebau, Landschaftsarchitektur und Entwerfen und Forschungsgruppe Mathematische Modellbildung und Simulation – MMS/ARGESIM – am  Institut für Analysis und Scientific Computing arbeiten seit Beginn 2008 an einem Projekt zur Entwicklung eines Simulationstool auf DEVS Basis zur Auswertung der aktuellen Situation und Verbesserung der Auslastung und Nutzung der Hörsäle und Seminarräume der TU Wien.

Eine dynamische Simulation der Raumbelegung an der TU Wien vereint die Möglichkeit der statischen Datenanalyse der Raumbelegung, die auf Basis der zugrunde gelegten Eingangsdaten berechnet wird, mit der Auswertung der Ergebnisse des dynamischen Simulationslaufes. Dieser kann sowohl zusätzlichen Aufschluss über die Raumausnutzung liefern, als auch das veränderliche Verhalten der Studenten mit einbeziehen um Schwankungen im Raumbedarf (etwa im Semesterverlauf) zu berücksichtigen. Durch das Verwenden verschiedener Strategien bei der Raumbuchung können sehr schnell Vergleiche angestellt werden, um Vor- und Nachteile abzuwägen.

Szenarios und Experimente können auch auf Veränderungen in den Basisstrukturen ausgedehnt werden, an Raumstruktur, an Lehrveranstaltungen, an Studentenzahlen kann „gedreht“ werden, um Auswirkungen zu beobachten. Im Weiteren können auch die topologischen Gegebenheiten  miteinbezogen werden.

Konkrete Projektziele sind:

  • Analyse und Verbesserung der Raumauslastung
  • Analyse und Verbesserung der Raumnutzung
  • Möglichkeit zum Vergleich unterschiedlicher Buchungsstrategien
  • Aufzeigen von Engpässen und Potentialen
  • Einbeziehung von Wegezeiten (um die Wegezeiten im gesamten TU Bereich zu berücksichtigen)
  • Unterstützung beim geplanten  Umbau (flexible Planung der Raumreduktion etc.)

Ziel ist es auch, die Ressourcenausschöpfung so weit zu optimieren, dass die vorhandenen Räume und die Infrastruktur vermehrt durch Studierende oder Dritte für zusätzliche Veranstaltungen genutzt werden können. Die TU Wien könnte so auch als studentischer Arbeitsort oder als Veranstaltungsort im Zentrum von Wien attraktiver werden.

Modellbildung

DEVS – Discrete Event Simulation – wird schon seit langem in verschiedenen Bereichen zur Analyse und Verbesserung der Ressourcenplanung und Ressourcenausnutzung verwendet, wie z. B. in  Produktion und Logistik, in der Kommunikationstechnik, im Chain Supply und auch im Krankenhausmanagement. Modellbildungsgrundlage ist das Entity-Ressourcen bzw. Entity-Flow Konzept: Entities (z. B. zu bearbeitende Werkstücke, zu verarbeitende Datenpakete, zu liefernde Waren bzw. zu behandelnde Patienten) suchen ihren Weg durch den Prozess zu ihren Ressourcen – z. B. zu Bearbeitungsrobotern, zu Servern, zu Distributoren bzw. zu Ambulanzen, wobei Events – Ereignisse – dabei diesen Weg steuern.

Relativ neu hingegen ist DEVS im Bereich des Mana-gements von Raumressourcen und generell im Bereich des Facility Managements. Während Ressourcen eindeutig mit den zur Verfügung stehenden Räumen identifiziert werden können, sind für Entities verschiedene Ansätze möglich.

Im Prinzip ist es der Bedarf, der Räume für bestimmte Aufgaben reserviert. Der Bedarf wiederum kann mit einer bestimmten Arbeit, an der z. B. Personengruppen  beteiligt sind, identifiziert werden, oder umgekehrt mit Personengruppen, die im Raum eine bestimmte Aufgabe erledigen wollen.

Für die Modellbildung und Simulation der Hörsaalbelegung bzw. Raumbelegung an der TU Wien wurde der letztere Ansatz gewählt, wobei die Personengruppe bis zum einzelnen Studenten zerlegt wird – ein sehr aufwändiger aber komplexitätsbedingt notwendiger Ansatz. Vereinfacht gesagt, suchen sich Studenten (= Entities) mit einem gemeinsamen Auftrag – ihrem Semesterstudienplan (= Steuerungslogik) – den Weg durch Hörsäle (= Ressourcen), wo sie andere Ressourcen bzw. andere Entities (= Vortragende) treffen. Je nach erforderlichem Komplexitätsgrad sind diese Wege einfach „zeitverbrauchend“ oder selbst dynamische Ressourcen wie z. B. (zu) enge Stiegenhäuser oder zu passierende Ampeln zwischen Freihaus und Getreidemarkt.

Und – wieder je nach erforderlichem Komplexitätsgrad – sind die Ressourcen – die Räume – statisch, mit maximaler Belegungszahl, oder dynamisch teilbar und kombinierbar.

Eine genauere Darstellung dieser Zusammenhänge zeigt das Entity-Relationship Diagramm mit den Basiselementen Student, LVA und Raum (Abbildung 1).

Abbildung 1: Entity-Relationship Modell für Basisobjekte Student, LVA, Raum

Implementierung – Simulator

Für DEVS steht heute eine Vielzahl von Simulatoren zu Verfügung, die mehr oder weniger auf ein bestimmtes Anwendungsgebiet spezialisiert sind. Das Projekt verwendet Enterprise Dynamics (ED), das trotz des zielgerichteten Namens eher ein General Purpose DEVS Simulator ist, wenn – wie hier – mit der Basisbibliothek (Logistic Suite) gearbeitet wird. Teure Spezialbibliotheken (Manufacturing Suite, Airport Suite, Contact Center Suite etc.) erweitern ED zu speziellen Anwendungssimulatoren. ED – bei MMS/ARGESIM seit Jahren erfolgreich im Einsatz – umfasst eine Entwicklungsumgebung und eine eigene Programmiersprache.

ED bietet auch Basisfunktionen für die Auswertung von Simulationsergebnissen, allerdings hat sich hier die Auswertung in Excel eher bewährt, da sowohl die Anwendungsfreundlichkeit höher ist als auch der Umfang der Mög-lichkeiten. ED verfügt über diverse Datenbankschnittstellen und ermöglicht so einfachen Datenaustausch.

Klassische Modellbildung besteht in ED im Erstellen des Prozesslayouts mit Drag-and-Drop aus Bibliotheks-elementen, was im gegenständlichen Fall – alle Hörsäle und Seminarräume der TU Wien sind Einzelressourcen – unmöglich ist.

Das Projekt verwendet zur ED-Modellbildung ein bei MMS/ARGESIM entwickeltes Modul zur automatischen Modellerzeugung aus Datenbanken, hier aus TUWIS++-Hörsaaldaten, sowie eine speziell für dieses Projekt entwickelte Library an Modellbausteinen. Abbildung 2 zeigt ein derart automatisch erzeugtes Modell-Layout für einen Bereich von Räumen im TU Hauptgebäude, wobei Studenten gerade Seminarräume bzw. den Schütte-Lihotzky Hörsaal belegen (Momentaufnahme aus der Simulation, Belegung Mai 2007).

ED bietet auch eine simulationsparallele Pseudo-3D–Animation an, die mit einigem Aufwand auch topologisch korrekt aus CAD-Daten abgebildet werden kann. Abbildung 3 stellt einen Snapshot, ähnlich wie in Abbildung 2, in einer einfachen Animation, automatisch aus dem Modell-Layout generiert, dar. Echte 3D-Animation und VR kann über Datenbanken angekoppelt werden.

Die Implementierung des Simulationstools wurde so durchgeführt, dass eine höchstmögliche Flexibilität des Simulationsmodells erhalten bleibt. Dazu wurde eine Trennung zwischen den zugrunde liegenden Daten und dem Simulationsmodell strikt eingehalten.

Abbildung 2: ED Model Layout (Räume Hauptgebäude TU), automatisch erzeugt aus TUWIS++-Daten
Abbildung 3: Pseudo-3D-Animation in ED, automatisch erzeugt aus TUWIS++-Daten

DynoSpace – Erste Ergebnisse

Das Basisprojekt DynoSpace – Dynamische Analyse und Simulation der Raumbelegung im Hauptgebäude der TU Wien – wurde von Jänner 2008 bis August 2008 durchgeführt: Hörsäle und Seminarräume im Hauptgebäude, Stundenplan / Studienplan Architektur und Bauingenieurwesen. Ergebnisse der Basissimulation stimmen qualitativ mit TUWIS++-Buchungsdaten überein. Ergebnisdaten sind u. a..:

  • Raumauslastung der Räume als Ergebnis des dynamischen Studentenverhaltens
  • Effizienz der Raumausnutzung – Studierende versus Raumkapazität
  • Art und Zahl von Fehlbuchungen = nicht erfolgreiche Simulationsbuchungen

Mit dem Simulationstool konnten nun verschiedene Szenarien untersucht werden, die mögliche Strukturänderungen vergleichen:

  • Änderungen in Raumstruktur
  • Änderungen im Flächenmanagement
  • Änderungen im Buchungsmanagement
  • Erhöhung der Studentenzahl

Bei diesen Strukturänderungen fließen Arbeiten von RED zum flexiblen Flächenmanagement ein, die sich bereits bei der flexiblen Raumplanung für Schulprojekte bewährt haben.

Verschiedene Szenariorechnungen beleuchten u. a. die Auswirkungen eines neuen (großen) Hörsaales im Hauptgebäude, die Hinzunahme kleinerer Seminarräume für LVAs mit wenigen Studenten, „on-the-fly“-Änderung der Raumstruktur bei Engpässen (z. B. Raumteilung) und Nachvollziehen der TUWIS++-Überbuchung.

DynoSpace hat gezeigt, dass mit DEVS Simulation die Raumbelegung an der TU Wien effizient analysiert werden kann, und dass Änderungen im Flächenmanagement und in Buchungsstrategien in der Simulation analysiert und bewertet werden können.

TU-weite Simulation – MoreSpace

Der Erfolg mit dem Anlaufprojekt DynoSpace – dynamische Analyse und Planung der Raumsituation im Haupt- gebäude – führte zum Folgeprojekt MoreSpace, Oktober 2008 bis Oktober 2009. Der Name MoreSpace soll verdeutlichen, dass durch dynamische Raumplanung mehr Raum für alle LVA-Arten bereitgestellt werden kann, was sich ansatzweise bereits im Anlaufprojekt DynoSpace gezeigt hat.

MoreSpace enthält im Wesentlichen folgende Erweiterungen und neuen Elemente:

  • Modellerweiterung auf (fast) alle Gebäude der TU Wien
  • Modellerweiterung für (fast) alle Studienrichtungen
  • Modellierung topologischer Komponenten (Wege zwischen Stockwerken, Gebäuden etc.)
  • Modellierung zur möglichen Szenarienrechnung verschiedener Buchungsstrategien
  • Modellierung von Ersatzraumstrategien (Umbauunterstützung)
  • Flexibilisierung der Raumsituation
  • Simulation von Grundbuchungen für Raumzuordnung zu bestimmten Studienrichtungen
  • Unterschiedliche Szenarien für die Studentenzahlentwicklung
  • Schnittstellen zu den neuen Buchungssystemen

Erste Ergebnisse von MoreSpace können voraussichtlich zu Beginn 2009 in die Planungen für den Umbau am Karlsplatz und in den Prozess der Verbesserung der Informatikdienste (TISS) eingebracht werden.