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Linux, aber welches?

Rudolf Ladner, Walter Selos, Paul Torzicky
Welches Linux? Welches Auto? Welche Programmiersprache? Welcher Editor? Welches Waschmittel? Alle diese Fragen haben eines gemeinsam: Es existiert keine eindeutige Antwort und alle diejenigen, die glauben, eine gefunden zu haben, verteidigen dieselbe eifrig, emotional und oft irrational.
Ein zeitgemäßes Herangehen an diese Frage, indem man eine Internet-Suchmaschine in Anspruch nimmt, bringt ebenfalls kein befriedigendes Ergebnis. Gibt man unter Google "Welches Linux?" ein, erhält man eine Flut von Links, die sich alle mit dem Thema beschäftigen. Schon ein kurzer Blick auf diese Adressen zeigt den vielschichtigen Charakter der Fragestellung. Ein URL, der einen gewissen Überblick geben kann ist distrowatch. com. Dort kann man eine kurze Beschreibung zu vielen Distributionen erhalten und wird über aktuelle Neuentwicklungen informiert. Allein die Tatsache, dass es auf dieser Seite auch eine Top-100 Liste der Linuxdistributionen gibt, zeigt erneut die Problematik der Auswahl der optimalen Version.
Grundsätzlich sollte man bei der Frage "Welches Linux?" nie den Endzweck aus den Augen verlieren. Unter der Devise "Zum Einschlagen eines Nagels ist die Diskussion über die Farbe des Hammerstiels irrelevant" sollte man sich nicht zu sehr in Details verlieren. Ist die Fragestellung "Warum Linux?" beantwortet, ist die Auswahl der Distribution oft nur mehr Geschmackssache, denn im Großen und Ganzen kann man sagen, dass jede Distribution ihre Vor- und Nachteile hat.
Erwähnenswert ist die Tatsache, dass viele Distribu- tionen eine so genannte Live-CD anbieten. Dabei handelt es sich um ein lauffähiges Linux auf CD, das ohne Installation auf der Harddisk exekutierbar ist. Damit kann man vorneweg checken, ob die gewählte Distribution die vorhandene Hardware erkennt und damit die grundsätzliche Verwendbarkeit gegeben ist. Außerdem besteht damit die Möglichkeit, ohne Installation in einem "Touch and Feel"-Prozess Erfahrungen zu sammeln und nicht zuletzt auch zu checken, ob einem die Distribution einfach "sympathisch" ist oder nicht.
In der Folge werden wir einige der gängigsten Distributionen kurz vorstellen. Klarerweise erheben wir dabei keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit und entschuldigen uns bei den Lesern, deren Lieblingsversion von Linux wir nicht angeführt haben.

Suse, Red Hat, Mandriva

www.suse.com, www.redhat.com, www.mandriva.com
Diese drei Distributionen werden von kommerziellen Firmen angeboten. Sie zeichnen sich durch ausgereifte Installationsprozeduren aus, die Windows-ähnlich mittels grafischer Interfaces mit dem Benutzer kommunizieren und damit klarerweise auch eine oft lästige Bevormundung mit sich bringen. Alle drei Distributionen haben bei verschiedenen neueren Hardware-Konfigurationen gepunktet aber auch versagt. Das Softwaremanagement wird bei allen über den Red Hat Package Manager (RPM) abgewickelt, der ein relativ ausgereiftes und komfortables Werkzeug darstellt. Standardfunktionen von Webserver-Betrieb mit dazugehörigen Datenbanken über Mailservice bis hin zu Networkprinting lassen sich problemlos installieren, konfigurieren und betreiben. Auch als Desktop-Systeme sind alle drei Distributionen ohne Aufwand konfigurierbar und zufrieden stellend zu betreiben. Bei Suse hat der in früheren Versionen oft kritisierte Systemmanager yast bzw. yast2 in den letzten Versionen entscheidende Verbesserungen erfahren.
Nicht unerwähnt bleiben soll die Tatsache, dass vor allem für Red Hat und Suse ein breites Angebot kommerzieller Software in angepassten Paketen vorliegt. Auch spezielle Anwendungen sind oft nur für die kommerziellen Distributionen vorhanden. So gibt es für die Itanium-Prozessoren von HP unterstützte Linux-Implementierungen nur mit Red Hat (Suse soll auch dazukommen).
Bei kommerziellen Herstellern ist aber mit Unzulänglichkeiten zu rechnen, die bei nicht-kommerziellen Distributionen unbekannt sind. So sind bei Red Hat für Updates kostenpflichtige Keys anzufordern, deren Bereitstellung immer wieder umgestellt wird, was immer wieder zu lästigen Verzögerungen führt.
Zusammenfassend kann man sagen, dass es sich um stabile und relativ gut durchstrukturierte Distributionen handelt, deren Vorteile aber in einem Bereich liegen, dessen Bedeutung für den universitären Bereich marginal ist.

Fedora, CentOS

fedoraproject.org, www.centos.org
Als nicht kommerzielle Schiene bzw. Ableger von Red Hat stellen diese Distributionen Entwicklungslinien dar, die viele Eigenschaften von Red Hat mit besserer Unterstützung neuer Hardware verbinden. Ansonsten gilt für diese beiden Distributionen das im vorigen Abschnitt Gesagte.

Debian GNU/Linux

www.debian.org
Die nicht-kommerzielle Debian GNU/Linux Distribution wird von einer demokratisch organisierten weltweiten Community entwickelt. Dabei wird nach dem Debian- Gesellschaftsvertrag vorgegangen, der unter anderem erfordert, dass Software, Dokumentation und auch alle anderen Komponenten der Distribution frei sein müssen. Das Debian-Projekt legt hier striktere Maßstäbe als so manch andere Distribution an. Bei Debian werden auch Sicherheitsprobleme öffentlich diskutiert, was im Allgemeinen zu einer raschen Behebung von Sicherheitslücken führt. Eine der Stärken von Debian ist die mächtige Paketverwaltung APT, mit der sehr bequem Software installiert werden kann und sich auch ein Upgrade der gesamten Distribution zu einer neueren Release einfach gestaltet. Debian GNU/Linux ist stets in drei Releases erhältlich:

Ubuntu

www.ubuntu.com
Dieser in den letzten Jahren sehr populär gewordene Debian-Ableger erfreut sich immer größerer Beliebtheit und ist auch mit allen Nebenlinien, wie Kubuntu (www.kubuntu.org) und Xubuntu (www.xubuntu.org) an der TU weit verbreitet. Ubuntu und die Nebenlinien unterscheiden sich im Wesentlichen eigentlich nur durch die voreingestellte grafische Benutzeroberfläche (ubuntu/ gnome, kubuntu/KDE bzw. xubuntu/Xfce). Die Hersteller legten nach eigenen Angaben großes Gewicht auf Benutzerfreundlichkeit und Sicherheit. Erwähnenswert ist die "Besonderheit", dass der Root-Account deaktiviert ist und administrative Aufgaben mit dem Befehl sudo durchgeführt werden.
Ansonsten gelten im Wesentlichen als Debian-Derivat die Aussagen über Debian.

Gentoo Linux

www.gentoo.org
Diese in so genannten Hardcore-Linux-Kreisen beliebte Metadistribution ist nur der Vollständigkeit halber angeführt. Es handelt sich dabei um eine in Quellform vorliegende Distribution, die der Benutzer selbst kompilieren muss. Detailliertes Wissen über die Hardware und deren Eigenschaften und tief gehendes Know-how über die inneren Strukturen von Linux sind dabei unbedingte Voraussetzung und daher stellt diese Linuxversion für die Zielgruppe dieses Artikels nur eine ziemlich theoretische Möglichkeit dar.

Slackware

www.slackware.com
Slackware ist eine Distribution, die sich durch Einfachheit und Stabilität auszeichnet. Sie kommt mit zwei CDs aus (eigentlich mit einer, wenn man keinen KDE braucht). Da die meisten Konfigurationsaufgabenmittels eines Texteditors zu bewerkstelligen sind, ist sie allerdings für den typischen Desktop-User weniger geeignet, umso mehr aber für kleinere Server-Anwendungen, ebenso für "embedded"-Anwendungen, wie Firewalls u.dgl. Es lassen sich auch grafische Oberflächen wie X11 mit KDE problemlos installieren, nur sollte man sich keine grafischen Systemadministrationstools erwarten. Das hat aber den Vorteil, dass es bei der Systemadministration keine Benutzerbevormundung gibt, die schon so manchem Systemadministrator (vor allem, wenn er gewohnt ist, mitzudenken) das Leben schwer gemacht hat. Allerdings muss man, wenn man die Systemdisk als RAID1 (gespiegelt) konfigurieren will, alles manuell machen.
Die Hardware-Erkennung ("hotplug") funktioniert sehr gut, und alles in allem ist Slackware eine altbewährte (eine der ersten Distributionen, die es gab), stabile und einfache Distribution, die für geübte Linux/Unix-Administratoren sehr zu empfehlen ist.

Zwar nicht Linux, aber Open-Source: BSD-Unix

www.bsd.org
BSD-Unixe gibt es (historisch gewachsen) in drei Varianten: FreeBSD, OpenBSD und NetBSD.
Um einen schnellen Eindruck über BSD zu gewinnen, habe wir uns FreeBSD 6.0 näher angesehen. Die Auswahl erfolgte auf Grund der ausgezeichneten Online-Dokumentation von FreeBSD, was eine kurze Einarbei- tungszeit erwarten ließ.
Dazu wurde eine Standard-Server-Konfiguration testweise installiert, also sshd, Mailserver (sendmail, postfix, pop, imap), apache mit php und perl, die MySQL-Datenbank, ein Samba-Server und nfs.
Außerdem wurde X11 und KDE getestet, sowie der äußerst flexible und leistungsfähige Paketfilter "pf".
Insgesamt konnte FreeBSD alle Erwartungen erfüllen, die Einarbeitungszeit war tatsächlich sehr kurz und alle Dienste liefen über lange Zeit einwandfrei und stabil. Die Hardware-Erkennung funktionierte überraschend gut, hier zeigte sich der Eindruck, dass FreeBSD doch sehr "aus einem Guss" gefertigt ist. Selbst der Test auf einer "embedded hardware", ein Kästchen mit Intel-kompatiblem Prozessor und CF-Disk, bei dem man das Betriebssystem in read-only-Bereiche und read-write-Bereiche aufteilen muss, verlief sehr zufrieden stellend, der Arbeitsaufwand hielt sich in Grenzen. Zusammen mit dem Paketfilter "pf" macht dies das Betriebssystem sehr interessant für kleine Firewall-Anwendungen.
Auch X11 und KDE waren leicht zu installieren (auf einem Notebook, inklusive WLAN, getestet).
Für das Einspielen von Softwarepaketen gibt es zwei Möglichkeiten: Binärpakete, die auch remote eingespielt werden können (es werden ähnlich wie bei Debian Abhängigkeiten aufgelöst) sowie Sourcepakete, deren Makefiles auf /usr/ports liegen. Der Rest wird auch von einem Remote-Server kopiert, dann übersetzt und installiert (ähnlich Gentoo-Linux).
Fazit: Für erfahrene Linux/Unix-Administratoren ist FreeBSD eine wirklich ernst zu nehmende Alternative zu Linux.
Da das Systemmanagement in erster Linie (ähnlich wie bei Slackware-Linux, das auch wegen seiner Einfachheit und Stabilität besticht) mittels Texteditor und Konfigurationsdateien bewerkstelligt wird, ist es allerdings für eingefleischte Windows-User, die alles über grafische Management-Tools machen wollen, sicher kein Thema. Dafür gibt es nicht die leidige "Benutzerbevormundung", die bei vielen kommerziellen Distributionen einem Systemadministrator das Leben schwer machen kann. Für Leute mit Linux- bzw. Unix-Erfahrung lässt sich FreeBSD allerdings auch als Desktop-Rechner zufrieden stellend einsetzen.
Nachteile sind: keine Journal-Filesysteme, UFS mit soft-Updates ist aber sehr stabil; für Linux-Binaries muss ein Emulator installiert werden; keine SYS-V Startup-scripts (S99xxx, K99xxx u.dgl.), ähnlich wie bei Slackware (macht aber nicht wirklich Probleme).
Ein ähnlicher Test mit OpenBSD, welches besonders interessant für sicherheitsrelevante Anwendungen sein soll, ist noch in Planung.

Neben den beschriebenen Distributionen, die alle mehr oder minder als Universalbetriebssysteme sowohl für Server- als auch für Desktop-Anwendungen in Frage kommen und eine "komplette" Palette von Softwareprodukten anbieten, sollen hier auch "Sonderdistributionen" nicht unter den Tisch fallen. Unter anderen sind an dieser Stelle damnsmalllinux (www.damnsmallinux.org), knoppix (www.knoppix.org) und grml (www.grml.org) zu erwähnen. Diese auf Debian basierenden Linux-Versionen bieten in Spezialfällen (z. B.: eingeschränkte Hardware- Ressourcen) oder zur Behandlung von Hardwareproblemen (Rescue-Funktion) hochinteressante Möglichkeiten an.
Für alle angeführten Linux-Distributionen existieren Mirrors am Goodie Domain Service (GDS) der TU Wien (gd.tuwien.ac.at).
Abschließend ist es notwendig, mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass diese Zusammenstellung von LinuxVersionen nur einen Snapshot darstellt und nicht notwendigerweise eine lange Gültigkeit haben muss. Außerdem sind naturgemäß persönliche Erfahrungen eingeflossen und, wie bereits erwähnt, wird keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhoben.
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