IPv6 - im TUNET kein Problem
Johann Kainrath
Mit IPv4 sind wir mittlerweile bestens vertraut und es ist aus unserem
täglichen Leben kaum mehr wegzudenken. Welche IP-Adresse hat Ihr Rechner?
Können Sie das Gateway pingen? Verwenden Sie einen VPN-Client mit IPSec?
Solche oder ähnliche Fragen müssen wir uns häufig stellen lassen. Wird
das mit IPv6 anders oder besser sein? Nun, die Entwickler von IPv6 haben
aus mehr als 15 Jahren mit IPv4 gelernt und einiges einzubauen versucht,
das uns das tägliche Leben erleichtern wird. Ist es real, dass alle unsere
Geräte (vom PDA über Haushaltsgeräte bis zum Auto) in Zukunft via Internet
erreichbar sein sollen?
IPv4, Grundlage für das Internet
Basisübertragungsprotokoll im Internet ist derzeit das Internet Protocol
Version 4 (IPv4). Damit man mit anderen Netzteilnehmern lokal wie global
kommunizieren kann, benötigt jedes Gerät mit Internet-Anschluss eine weltweit
eindeutige IP-Adresse. Eine IPv4-Adresse (z. B. 128.130.2.3) hat eine Länge
von 32 Bit, das ergibt 232 (rund 4,3 Milliarden) mögliche Adressen, von
denen allerdings aus technologischen Gründen nicht alle für Endgeräte verwendet
werden können.
Der IPv4-Adressraum wäre schon längst zu klein, gäbe es nicht diverse Hilfsmittel.
NAT (Network Address Translation, auch bekannt unter dem Namen Masquerading)
in Zusammenhang mit privaten Adressen ermög- licht mit nur einer IP-Adresse
mehreren Endgeräten den Zugang zum Internet.
Das rasante Wachstum und die globale Verbreitung des Internet war zum Zeitpunkt
der Konzeptionierung von IPv4 (1981) noch nicht absehbar. Aus diesen Gründen
wurde bereits 1995 mit der Entwicklung des Internet-Protokolls der nächsten
Generation (IPv6) begonnen.
Die TU Wien nahm bereits sehr früh am Internet teil und am 18. Juni 1986
wurden der TU Wien die noch heute verwendeten Class B Adressen vom USC/Information
Sciences Institut zugeteilt. Die beiden vom damaligen regionalen Internet-Registrar
zugeteilten IPv4 Class B Adressblöcke umfassten die Netze 128.130.0.0/16
und 128.131.0.0 (je 65.536 Adressen) sowie einige kleinere Class C Netzbereiche
mit je 256 Adressen. Bis heute konnte damit an der TU Wien das Auslangen
gefunden werden, auch wenn es in bestimmten Bereichen des externen Zugangs
(TU-ADSL, VPN, Dialin, WLAN) zunehmend eng wird.
Technisch gesehen besteht derzeit kein unmittelbarer Grund, zu IPv6 zu
migrieren. NAT wird oft auch als Security Feature verwendet, ist aber dafür
nicht wirklich designed und geeignet. Viele neue Internet-Applikationen
wie VoIP, Peer-to-Peer etc., die sich IPv4 als Transport bedienen, haben
damit ein Problem. NAT verhindert eine echte End-zu-End-Konnektivität und
damit Transparenz. Verbindungsaufbauten sind quasi nur von innen möglich.
IPv6, das neue Internet-Protokoll
Größerer Adressraum
Der wichtigste und offensichtlichste Vorteil von IPv6 (RFC 2460) ist, dass
die Adressen länger sind, daher Platz für einen viel, viel größeren Adressraum
ist. Die tatsächliche Anzahl individueller Adressen, die mit den nun zur
Verfügung stehenden 128 Bit möglich sind, geht weit darüber hinaus, was
sich jemand, der kein Astronom oder Teilchenphysiker ist, vorstellen kann:
340.282.366.920.938.463.463.374.607.431.768.211.456
Das sind 2128 IP-Adressen.
Dagegen wirkt die Anzahl der möglichen IPv4-Adressen
(232 ) eher banal:
4.294.967.296
Der 128-Bit Adressraum ist groß genug, um ca. 667 Billiarden Adressen pro
Quadratmillimeter Erdoberfläche zur Verfügung zu stellen (ca. 6,5*1028
Adressen pro Mensch). Angenommen, der benötigte Adressraum würde sich alle
fünf Jahre verdoppeln, so würde der IPv6 Adressraum bis zum Jahr 2485 ausreichen.
Die Befürchtung, dass die IPv4-Adressen ausgehen, hat sich noch nicht bewahrheitet,
da die Adressvergabe nicht mehr exponentiell ansteigt. Bis zur flächendeckenden
Verwendung von IPv6 stehen noch ausreichend Adressen zur Verfügung.
Weitere Verbesserungen neben der Ausweitung des Adressraumes sind Mobile
IP und vereinfachte Umnummerierung (Renumbering), Security (IPSec), Quality
of Service (QoS) und Multicast "serienmäßig" sowie Effizienz bei Routing
und Packet Processing. Die automatische Adressvergabe an Endsysteme in
Form der Stateless Autoconfiguration stellt einen wesentlichen Vorteil
gegenüber IPv4 dar.
Stateless Autoconfiguration, Plug&Play
Die Zuweisung von IPv6-Adressen an die Arbeitsplatzrechner erfolgt standardmäßig
mittels Stateless Autoconfiguration. Diese Methode wird inzwischen von
allen gängigen Betriebssystemen unterstützt und hat den Vorteil, dass die
Vergabe sehr einfach und ohne manuelle Konfigurationsänderungen des PCs
funktioniert (Plug & Play). Die auf solche Weise vergebenen IPv6-Adressen
werden nach der Norm EUI-64 gebildet und enthalten daher auch die MAC-Adresse
des jeweiligen Rechners. (Der EUI-64-Name der MAC-Adresse bildet bei der
IPv6-Autokonfiguration in der Regel die letzten 64 Bit der IPv6-Adresse.)

IPv6 Adressierung, EUI-64
Bei der stateless Autokonfiguration bekommt ein IPv6-System in der Regel
vom zuständigen Router vollautomatisch einen Präfix (mithilfe dessen die
IP-Adresse gebildet wird) und ein Gateway zugewiesen (sowie einige weitere
Parameter), nicht aber einen DNS-Server. Bei der Methode mit DHCPv6 (stateful)
kann auch eine Nameserver IP-Adresse zugewiesen werden. Der spezielle Mechanismus
DAD (Duplicate Address Detection) verhindert die doppelte Vergabe von IPv6-Adressen.
IPv6 Adressen
IPv6-Adressen werden nicht in dezimaler (zum Beispiel 128.131.192.13),
sondern in hexadezimaler Nota- tion mit Doppelpunkten geschrieben, die
die Adresse in acht Blöcke mit einer Länge von jeweils 16 Bit unterteilen.
Beispiel einer IPv6-Adresse:
2001:629:400:36a:20c:29ff:fe1e:5ac8/64
Eine oder mehrere 16-Bit-Gruppen mit dem Wert 0000 können durch zwei aufeinander
folgende Doppelpunkte ersetzt werden. Die resultierende Adresse darf höchstens
einmal zwei aufeinander folgende Doppelpunkte enthalten. 2001:0629::fece:7c61
ist gleichbedeutend mit 2001:0629:0000:0000:0000:0000:fece:7c61, aber 2001::fece::7c61 ist nicht korrekt, da nicht nachvollzogen werden kann, wie viele
16-Bit-Gruppen durch die zwei Doppelpunkte jeweils ersetzt wurden. Führende
Nullen einer 16-Bit-Gruppe dürfen ausgelassen werden, 2001:629::26:c ist
gleichbedeutend mit 2001:0629::0026:000c.

Address Allocation and Assignment
Adressbereiche werden bei IPv6 durch Präfixe angegeben. Dazu wird die Präfixlänge
(Anzahl der "gültigen" Bits) als Dezimalzahl mit vorangehendem "/" an die
IPv6-Adresse angehängt. Subnetze werden als Adressbereiche ebenfalls durch
den Präfix bestimmt. Die ersten 64 Bit der IPv6-Adresse dienen üblicherweise
der Netzadressierung, die letzten 64 Bit werden zur Host-Adressierung verwendet.
Beispiel: hat ein Netzwerkgerät die IPv6-Adresse 2001:629:400:36a:20c:29ff:fe1e:5ac8/64
so stammt es aus dem Subnetz 2001:629:400:36a::/64, das mit den ersten
64 Bit seiner Adresse identifiziert wird. Analog gehört das Subnetz, 2001:629:400:36a::/64
hierarchisch zum Subnetz mit dem kürzeren Präfix 2001:629:400::/48.
Die Global Unicast Address, die bei der End-to-end Kommunikation ins Internet
verwendet wird, ist somit eine Kombination von Präfix und Interface-ID.
Neben dieser global gültigen Adresse gibt es auch noch eine so genannte
Link-Local Address (beginnend mit fe80::/10), die jedes IPv6-System automatisch
generiert. Diese ist nur lokal im VLAN gültig. Datenpakete mit solchen
Adressen werden vom zuständigen Router nicht weiter geleitet.

Die IPv6-Adressen folgen einem hierarchischen Adress- und Aggregationsmodell
IPv6 und DNS
Wenn man von IPv6 DNS (Domain Name Service) spricht, gibt es zwei unterschiedliche
Aspekte, die beachtet werden müssen. Einer davon ist, ob der betroffene
Nameserver überhaupt Quad-A (AAAA) Records unterstützt, d. h. einen Namen
in eine IPv6-Adresse auflösen kann. Der andere Gesichtspunkt bezieht sich
darauf, ob der auf dem Klienten installierte Resolver (d. h. das Programmstück,
das die Nameserverauflösung für die Internet-Applikationen vornimmt) IPv4
oder IPv6 als Transport verwendet, wenn es so genannte Lookups vornimmt.
Für den Lookup von IPv6-Records muss der Resolver des verwendeten Betriebssystems
dies unterstützen. Das neue VISTA-Betriebssystem von Microsoft unterstützt
jede Variante, auch den reinen IPv6-Betrieb, sowohl die Namensauflösung
als auch die wirkliche Kommunikation (also der Datenaustausch) finden über
IPv6 statt.
IPv6 an der TU
Bereits Ende Februar 2001 erfolgten erste Modifikationen an der TUNET-Datenbank,
um neue IPv6 DNS Attribute und damit IPv6 DNS Resource Records zu unterstützen.
Im Mai 2001 erfolgte die Installation eines eigenen Routers, um Native
IPv6 Connectivity zu bieten. Damit konnten erste Gehversuche unternommen
werden. Am 26. 6. 2002 ging schließlich der für den Echtbetrieb geplante
Cisco 2621 IPv6 Router in Produktion und rea- lisierte die Anbindung. Bisher
haben einige Institute diese Connectivity im Rahmen von Projekten genutzt.
Im Mai 2006 wurde ein neues erweitertes IPv6-Netz für die TU Wien (2001:629::/32)
bei RIPE registriert (296 IP-Adressen, gemäß RFC 3177). Für die Organisationseinheiten
der TU werden Adressbereiche mit einem /48 Präfix (2001:629::/48) zur Verfügung
gestellt, das sind 280 Adressen. In zahlreichen Umbauten und Software-
Upgrades wurde das TUNET IPv6 ready gemacht. Dank Dual-Stack (Koexistenz
von IPv4 und IPv6 auf einer Netzwerkschnittstelle) ist es im TUNET möglich,
IPv6 ohne zusätzliche Hardware (im selben VLAN wie IPv4) zu verwenden.
Wie kommt man zu IPv6-Adressen bzw. einem Adressbereich im TUNET? Auf Wunsch
des jeweiligen Instituts kann IPv6 in den Instituts-Subnetzen aktiviert
werden (E-Mail an
hostmaster@noc.tuwien.ac.at). Für Server ist es sinnvoll,
fixe Adressen zu verwenden, diese werden vom ZID direkt in das DNS eingetragen
(kein EUI-64). Es ist darauf zu achten, dass entsprechende Security-Maßnahmen
getroffen werden (Firewall, ...). Bei Arbeitsplatzrechnern kann der Vorteil
der Autokonfiguration ausgenutzt werden (jedoch kein dynamic DNS). Aus
Gründen des hohen administrativen Aufwands ist vorerst kein manueller DNS-Eintrag
durch den ZID geplant.
Da derzeit das primäre Nameservice über IPv4 läuft, ist die automatische
Konfiguration mit IPv6 Nameservern noch nicht notwendig. An einer Erweiterung
des Standards wird gearbeitet, um zusätzliche Services wie NTP, DNS per
Autokonfiguration den Clients zur Verfügung zu stellen.
Wie erwähnt, können die Nameserver der TU Wien derzeit wegen davorgeschaltener
Firewall-Systeme zwar IPv6-Adressen (AAAA) auflösen, sind aber nicht direkt
unter IPv6 erreichbar. Bis zu dem Zeitpunkt, wo diese Firewalls auch IPv6
unterstützen, erfolgt die DNS-Abfrage über das IPv4-Protokoll.
Wird IPv6 irgendwann IPv4 ersetzen?
Mittelfristig nein, langfristig eher ja. Die Dual-Stack Technologie ermöglicht
den sanften Übergang, wobei IPv6-only Netze in nächster Zeit durchaus denkbar
sind. Es scheint aber kein schlagartiges "Umschalten" des Internets auf
IPv6 (an einem so genannten D-Day) geplant zu sein. Tunnellösungen scheinen
nur temporäre Lösungen auf dem Weg zu einer großflächigen Migration zu
sein. Eigentlich ist kein aktuelles Betriebssystem für Endsysteme bekannt,
welches IPv6 nicht unterstützt. Auch die wichtigsten Applikationen scheinen
schon längere Zeit IPv6-fähig. Im Bereich der Netzwerkinfrastrukturgeräte
(Router und Switches) ist IPv6 nicht wirklich ein Thema mehr und teilweise
bereits in Hardware implementiert (zumindest aber in Software). Im Bereich
der Firewall-Hersteller wird jedoch noch heftig an Lösungen gearbeitet,
die an den Funktionsumfang von IPv4 Security-Gateways herankommen sollen.
Die Netzwerke sind zwar größtenteils IPv6 ready, aber die Treiber bzw.
die Killerapplikationen sind noch nicht vorhanden. Insider und Experten,
die internationale Meetings bereisen, sehen die Zukunft von IPv6 im IP/TV
Servicebereich im südostasiatischen Raum bzw. in der Internet-Telefonie.
Tatsache ist, dass das Internet über IPv6 immer näher zum Benutzer kommt.
War IPv6 bei Windows XP zwar bereits vorhanden, aber nicht sichtbar, so
ist es bei vielen Unix-Systemen, bei MacOS X und nun auch bei VISTA bereits
aktiv und in den Netzwerkeinstellungen sichtbar. Daher sind alle eingeladen,
diese neue Technologie zu erkunden. Beispielsweise ist der Webserver des
ZID (www.zid.tuwien.ac.at) ab sofort per IPv6 erreichbar.
Literatur und Links:
Iljitsch van Beijnum: Running IPv6, Apress, 2006, ISBN: 1-59059-527-0
Die Österreichische IPv6 Taskforce:
www.austria.ipv6tf.org
IPv6 Dissemination and Exploitation:
www.6diss.org
Ripe NCC Internet Resources:
www.ripe.net/ipv6/
European IPv6 Internet Exchanges Backbone:
www.euro6ix.org