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Weblogs für alle!

Dieter Rappold, Knallgrau New Media Solutions

Mit Beginn des Wintersemesters 2004/2005 bietet die TU Wien unter Führung des ZID Weblogs für alle TU Wien Angehörigen an. Das Service wird von der Wiener Agentur Knallgrau zur Verfügung gestellt und von Mobilkom Austria finanziert.

Weblogs sind sicherlich eine der spannendsten Entwicklungen der letzten Jahre im Internet. Doch was sind Weblogs eigentlich? Die populäre Online Enzyklopädie Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/Weblog) definiert:

"Ein Weblog oder Blog (ein Kunstwort aus 'Web' und 'Logbuch') ist eine Webseite, die periodisch neue Einträge enthält. Neue Einträge stehen an oberster Stelle, ältere folgen in umgekehrt chronologischer Reihenfolge. [...]

In einem typischen Weblog hält ein Autor (der Blogger) seine 'Surftour' durch das Internet fest, indem er zu besuchten Seiten einen Eintrag schreibt. Es gibt aber auch Fach-Weblogs, in denen ein Autor Artikel zu einem bestimmten Thema veröffentlicht. Andere Blogger teilen auf ihrer Webseite Einzelheiten aus ihrem privaten Leben mit. Typischerweise linken Blogger auf andere Webseiten und kommentieren aktuelle Ereignisse. Viele Einträge bestehen aus Einträgen anderer Weblogs oder beziehen sich auf diese, sodass Weblogs untereinander stark vernetzt sind. Die Gesamtheit aller Weblogs bildet die Blogosphäre."

Ein Weblog ist also nicht mehr als eine dynamische Website? Vielleicht auf den ersten Blick, doch die Entstehungsgeschichte der Weblogs lässt anderes vermuten.

Entstanden sind Weblogs in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA. Techies und Geeks haben ihre Eindrücke von virtuellen Streifzügen durchs Internet festgehalten. Es dauerte bis 2000/2001, bis sich mit Pyra Labs der erste kommerzielle Anbieter fand, der den Dienst www.blogger.com initiierte. Blogger.com zählt auch heute noch zu den weltweit erfolgreichsten Weblog Hosting Plattformen und wurde übrigens im Januar 2003 von Google.com gekauft.

Erstmals ins Rampenlicht der Öffentlichkeit traten die Weblogs im Zuge der Anschläge am 11. September 2001 in New York. Traditionelle Medien wie CNN.com brachen unter der Last der Anfragen zusammen und plötzlich berichteten dutzende Menschen via Weblogs über die aktuellen Ereignisse, wie auch der englische Guardian berichtete:

"Jason Kottke, 28 years old, is a web designer. He is interested in web design, obviously, photography, and retro computer games. Apart from a trip to China with his dad five years ago, he has little experience of the world outside the small town in Minnesota where he grew up. Although he writes cleanly, he has no journalistic training.

Yet Jason Kottke's personal website is one of my main sources of information about last week's bombings of New York and Washington, and the build-up to US military action against Afghanistan. Kottke.org is a weblog: a chronologically sorted list of commentary and hyperlinks to articles and other items of interest around the web." 1

Auch während des Irak Krieges etablierten sich so genannte Warblogs als kritische Alternative zu klassischen Medien. Das vielleicht berühmteste Warblog war "Where is Read", das Weblog von Salam Pax2.

In diesem Sinne können Weblogs auch als Nährboden für eine Medienrevolution angesehen werden. War bisher die Machtposition von Medien auf kostenintensive Produktionsmittel (Radiostationen, Fernsehstationen, Studios, Satelliten, Druckmaschinen, Distributionskanäle etc.) und die damit verbundene Reichweite aufgebaut, so liegen durch Weblogs die Kosten für Produktionsmittel bei annähernd Null und ein Weblog hat im Internet theoretisch dieselbe Reichweite wie CNN.com.

Weblogs sind somit auch nicht ein neuer Post-dot.com Hype, keine neue "Killerapplikation", auch kein Trend, für den erst die Bedürfnisse erfunden werden müssen. Weblogs führen das Internet eigentlich zu seinen Wurzeln zurück und geben dem Internet-User die Möglichkeit, nicht nur Konsument, sondern gleichzeitig auch Produzent zu sein. Durch ihre Verbreitungsmechanik und das Prinzip des "linkens und verlinkt werden" fördern sie auch die intuitive Bildung von Communities of Interest und Communities of Practice. Weblogs erheben auch nicht den Anspruch, bestehende Anwendungen zu ersetzen und obsolet zu machen, sondern werden diese in Zukunft optimal ergänzen. Man kann davon ausgehen, dass Weblogs sehr bald eine so alltägliche und integrierte Anwendung sein werden wie E-Mail oder Instant Messaging.

Es war im Mai 2004, als Bill Gates im Rahmen einer Rede in Großbritannien meinte, dass er Weblogs für eine sehr wichtige Anwendung halte. Zumindest ein Hinweis darauf, dass man Weblogs im Massenmarkt erwarten kann und dass auch Microsoft dieser Entwicklung nicht untätig zusehen wird.

"In a speech to an audience of chief executives, Mr Gates said the regularly updated journals, or blogs, could be a good way for firms to tell customers, staff and partners what they are doing. He said blogs had advantages over other, older ways of communicating such as e-mail and websites. More than 700 Microsoft employees are already using blogs to keep people up to date with their projects." 3

Seit den Anfängen von Weblog Hosting Services rund um 2000 entwickeln sich die Userzahlen von Weblogs exponentiell und heute geht man von 4 bis 5 Millionen Weblogs bzw. Webloggern weltweit aus. Der Großteil davon ist immer noch in den USA, wobei jedoch gerade in den vergangenen 12 Monaten die Entwicklung in Europa sehr dynamisch war. Derzeit gibt es im gesamten deutschsprachigen Raum unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 30.000 und 50.000 Weblogs, bei monatlichen Wachstumsraten von 10 bis 15%.

Knallgrau New Media Solutions beschäftigt sich seit der Agenturgründung im Februar 2001 mit Weblogs. Im Februar 2003 startete mit www.twoday.net eine der führenden Weblog Hosting Plattformen im deutschsprachigen Raum. Hierbei setzte man auf die Open Source Weblog Applikation Antville (www.antville.org), an dessen Weiterentwicklung sich Knallgrau seither aktiv beteiligt. In der Zwischenzeit ist mit Twoday eine eigenständige Weblogsoftware entstanden, die zahlreiche Erweiterungen zu Antville aufweist.

Die Prinzipien von Weblogs

Noch einmal kurz zusammengefasst gibt es folgende zentrale Prinzipien, die Weblogs zu eigen sind:

Navigation
Durch den streng umgekehrt chronologischen Aufbau verwenden alle Weblogs eine einheitliche Navigation, die dem Benutzer nicht erst verständlich gemacht werden muss. Jeder Beitrag kann weiters Kategorien zugeordnet werden, um eine individuelle Strukturierung zu ermöglichen.

Zeitstempel
Jede Microcontent-Einheit ist mit einem eindeutigen Zeitstempel versehen, der meist auch als permanente Adresse (eine URL, über die der Beitrag direkt angesprochen werden kann, der Permalink) verwendet wird. Damit können einzelne Gedanken (Memes) direkt adressiert und referenziert werden.

Persönlich
Hinter jedem Weblog stehen eine oder mehrere Personen, die ihre subjektiven Ansichten, ihren persönlichen Filter der Öffentlichkeit zugänglich machen. Einträge werden aus der Ich-Perspektive geschrieben und reflektieren immer die Person. Authentizität wird damit zum signifikanten Unterschied und auch zur größten Herausforderung.

Communitybasiert
Kein Weblog steht für sich allein, jedes ist Teil eines sozialen Gefüges. Vom simplen "linken und verlinkt werden" (vor allem in Form von Zitaten) bis hin zu einer Sammlung von "Lieblingsweblogs" (Blogroll), stehen verschiedene Bräuche zur Verfügung, die das "soziale" Umfeld darstellen. Dadurch bilden sich vollkommen automatisch Communities of Interest, die verteilt über die ganze Welt miteinander kommunizieren.

Vernetzt
Neben der starken Community sind auch noch einige technologische Prinzipien zu erwähnen, die eine Vernetzung der Personen, Inhalte und Gedanken sehr stark fördern. So wird stan- dardmäßig das XML-basierte RSS (RDF Site Summary) Format verwendet, welches die Beobachtung zahlreicher Weblogs über News Reader, aber auch automatisierte Content Syndication sehr einfach ermöglicht. Andere Technologien (wie z. B. TrackBack) erlauben ebenfalls eine einfache Vernetzung von Inhalten.

Weblogs im Bildungsbereich

Besonders interessant sind die potentiellen Anwendungsszenarien von Weblogs im Bildungsbereich. Hier greifen Weblogs aktuelle Entwicklungen im Umfeld von E-Learning und selbstgesteuertes Lernen auf. Vorreiter von derartigen Projekten waren die Eliteuniversitäten von Harvard, Stanford und das MIT in den USA.

Seit dem Frühjahr 2004 gab es erste Überlegungen und Ideen, die TU Wien zu einer der ersten Universitäten Europas zu machen, die Weblogs flächendeckend ihren Studenten und Lehrenden als Tool im universitären Alltag anbietet. Knallgrau hat hierbei entsprechende Gespräche mit der Universitätsführung und den Verantwortlichen am ZID initiiert.

Sehr bald konnte man alle Beteiligten von dem großen Potential dieses innovativen Projekts überzeugen und die Basis für erste konzeptionelle Ideen schaffen. Mit Mai 2004 wurde ein grundsätzliches Einverständnis über das zu entwickelnde Projekt erzielt. Es sollte ein Weblog Dienst geschaffen werden, der den Anwendern, das heißt den Studierenden und Lehrenden, maximalen Spielraum in der Nutzung bietet, um auf diesem Wege alle möglichen bekannten und auch noch nicht bekannten Potentiale von Weblogs ausschöpfen zu können.

Einigermaßen schwierig gestaltete sich die Finanzierung dieser Plattform, die in entsprechender Performance einem sehr großen Nutzerkreis offen stehen soll. Schlussendlich konnte die Mobilkom Austria als großzügiger Sponsor dieses Projekts gewonnen werden. Zusätzlich stellt die Mobilkom Austria auch weitere Ressourcen zur Verfügung, um in Zukunft das A1 Weblog (http://twoday.tuwien.ac.at/a1) zu etablieren, in dem man Insights zu den Themen mobile Kommunikation und Technologie direkt aus dem führenden Mobilfunkunternehmen des Landes kommunizieren möchte.

Im September 2004 konnte die Weblogplattform schließlich unter http://twoday.tuwien.ac.at/ offiziell gelauncht werden. Die Plattform entwickelte sich vom ersten Tag an sehr lebhaft und in weniger als 8 Wochen wurden mehr als 300 Weblogs und mehr als 600 Benutzer angelegt.

Zum Thema Weblogs in der Lehre gibt es zahlreiche sehr interessante Nutzungsszenarien und Erkenntnisse aus der aktuellen Forschung zu diesem Thema. Ein sehr hilfreicher Fundus zu diesem Thema ist das Bildungsblog (http://bildung.twoday.net) mit einer Vielzahl an Verweisen zu Artikeln und Beispielen zum Einsatz von Weblogs in der Lehre.

Auch im Rahmen des Portals findet sich eine strukturierte Zusammenstellung unterschiedlicher Nutzungs- und Einsatzszenarien von Weblogs (siehe: http://twoday.tuwien.ac.at/hilfe/topics/Wozu+Weblogs/). Hier eine kleine Auswahl der interessantesten Möglichkeiten:

Als persönliches Studienjournal

Mit einem Weblog kannst Du Dein Studium dokumentieren: Benutze ein Weblog, um Vorlesungsmitschriften zu archivieren und durchsuchbar zu machen. Sammle Studienmaterial und interessante Links an einem zentralen Ort. Mache Deine Materialien Deinen MitstudentInnen verfügbar und profitiere von ihrem Feedback.

Ein Weblog kannst Du für Dein Studium allgemein führen oder nur für eine bestimmte Lehrveranstaltung, die Du besuchst. Du kannst so genannte "Blogrolls" anlegen, Listen mit Links zu den Weblogs Deiner MitstudentInnen und anderer relevanter Sites und so immer auf dem Laufenden bleiben, was sie gerade schreiben. Über die Kommentarfunktion kannst Du anderen Fragen stellen und Dich mit ihnen über den Stoff austauschen.

Das persönliche Weblog

Ein persönliches Weblog ist ein ganz persönlicher Ort im Web: Es kann ein Tagebuch, eine Informationssammlung, ein Kommunikationskanal oder ein Schmarrn sein.

Mit einem Weblog kannst Du, ohne Dich mit Technik abmühen zu müssen, Deine eigene Publikation im Netz starten: Ob Du nur für Dich, Deine Freunde oder für die Welt schreibst, entscheidest Du selbst. Ebenso was und worüber Du schreibst.

Weblogs für Student Communities

Studentische Gruppen und Vereinigungen können Weblogs einsetzen, um auf einfache Weise eine aktuelle Homepage zu gestalten. Bisher war das Pflegen von Homepages sehr aufwändig und nur mit entsprechenden Fachkenntnissen möglich.

Mit einem Weblog können aktuelle Informationen über Aktivitäten und Termine schnell veröffentlicht werden. Auch allgemeine Informationen z.B. über Mitglieder und Ziele können mit einem Weblog gepflegt werden, ohne dass große technische Kenntnisse nötig sind. Eine Konzentration auf die Inhalte wird wieder möglich.

Mit einem Weblog kann jedes Mitglied der Vereinigung Inhalte für die Website schreiben. Außerdem ist es möglich, dass Leser der Website Kommentare hinterlassen.

Es stehen eine Reihe fertiger Designs zur Verfügung. Es ist aber auch möglich, ein eigenes Design zu verwenden oder das Web- log in eine bestehende Website zu integrieren.

Weblogs für Lehrveranstaltungen

Weblogs können dazu verwendet werden, Informationen zu Lehrveranstaltungen zu veröffentlichen. Sie können von Hinweisen zum Stundenplan über Literaturhinweise, Aufgaben, Lernmaterialien bis zu Prüfungsanforderungen gehen.

Der Lehrende veröffentlicht die Materialien an zentraler Stelle (alle Formate wie Text, PDF, Word, Excel, Powerpoint etc. sind möglich), die Studierenden können sie herunterladen und, wenn gewünscht, ihre Lösungen über das Weblog rückübermitteln. Auch hier können die Studierenden das Weblog per RSS abonnieren, um nichts zu verpassen.

Die Weblogs der Lehrveranstaltungen können in die Internetseiten des Instituts integriert oder von ihnen aus verlinkt werden.

Grundsätzlich sind diese Informationen nur Anhaltspunkte für die Nutzung dieses neuen Dienstes. Die Entwicklungen rund um Weblogs sind noch sehr jung und geben jedem Interessierten die Möglichkeit, sich einzubringen und einen Beitrag zur Weiterentwicklung zu leisten.


1 Quelle: http://www.guardian.co.uk/Archive/Article/0,4273,4260486,00.html

2 Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Salam_Pax

3 Quelle: http://news.bbc.co.uk/2/hi/technology/3734981.stm am 21.05.2004


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