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Die AT43 Breitband-Kommunikationsplattform

Michael Haberler, Internet Privatstiftung Austria

Die Verfügbarkeit von Breitband-Anschlüssen und die Erfüllung einer Reihe technologischer und wirtschaftlicher Vorbedingungen ermöglicht die Verwendung des öffentlichen Internet als Basis hochqualitativer Anwendungen wie Sprache, Video und Instant Messaging. Das Adressierungsverfahren ENUM spielt eine wichtige Rolle bei der nahtlosen Kommunikation zwischen dem öffentlichen Telefonnetz und solchen Internet-basierten Anwendungen. Mit dem Projekt "AT43" setzt nic.at einen Schritt in Richtung eines breit verfügbaren Pilot-Dienstes für den akademischen Sektor, der in einem weiteren Schritt auch anderen Internet-Benutzern offen steht.

Das Umfeld

Breitband-Verfügbarkeit

Anders als noch vor wenigen Jahren ist die Verfügbarkeit von Internet-Breitbandanschlüssen wenn zwar noch nicht flächendeckend, so doch sehr breit gegeben. Auch die Qualität dieser Zugänge, und die deren Backbones macht diese heute qualitativ für Echtzeit-Anwendungen geeignet, an die noch vor kurzer Zeit nicht ernsthaft zu denken war. Darunter sind vor allem bandbreiten- intensive Anwendungen wie qualitativ hochwertige Sprachübertragung beispielsweise für Sprachtelefonie, sowie Video. Die Verbreitung von Wireless LAN (WLAN) macht diese Dienste dazu "ungebunden" nutzbar, sei es in öffentlichen "Hotspots", zu Hause oder im beruflichen Umfeld.

Wirtschaftliche Motivation

Als vor knapp einem Jahrzehnt die ersten "Internet-Telefonie"-Anwendungen vorgestellt wurden, kam die Hoffnung auf, dass diese quäkenden und krächzenden Programme schließlich in der Lage sein würden, den hohen Tarifen des öffentlichen Telefonnetzes ein Ende zu setzen. Deregulierung, Wettbewerb und Quantensprünge in der Übertragungstechnik haben jedoch Gesprächstarife derart verfallen lassen, dass ein wesentlicher Kostenvorteil der Internet-basierten Telefonie insbesondere im Fernbereich nicht darstellbar ist. Eine massive Re-Investition und Ersatz existierender Vermittlungs- und Teilnehmereinrichtungen für den Aufbau eines Internet- basierten Telefonnetzes zwecks Kostenersparnis bei ein paar Ferngesprächen ist aus dem derart zu erwartenden Cashflow schwer denkbar. Anders ist die Situation, wenn ein Breitband-Anschluss bereits existiert: in diesem Fall ist es möglich, Sprache, Video und "iSMS" ("Internet instant messaging") ebenso wie E-Mail und Web als bloß eine weitere Anwendung eines existierenden, bereits bezahlten Dienstes zu betreiben. Anders als Telefonie, wo - über das Grundentgelt hinaus - üblicherweise jedes Gespräch einzeln bewertet und verrechnet wird, bleibt es beim Breitband-Anschluss bei der Pauschale für "den Stecker ins Internet". Wenn jedoch diese Voraussetzungen gegeben sind, dann besteht ein wirtschaftliches Motiv - das Grundentgelt wandert vom vertikal integrierten Telefonnetz zu einem Dienstanbieter, der Sprachtelefonie und andere Dienste ermöglicht, ohne ein eigenes Zugangsnetz zu besitzen. Es gibt bereits erste Firmen, die Derartiges anbieten - wie beispielsweise Vonage (www.vonage.com), und Addaline (www.addavoice.com). Selbst Riesen der klassischen Telefonie wie AT&T und MCI drängen in diesen Markt.

In diesem Szenario wird Sprache und SMS daher eine vom Zugangsnetz "entbündelte" Anwendung, womit für den Kunden eine weitere Dimension der Wahlfreiheit (und freilich auch der Komplexität) entsteht.

Die Erfolgsfaktoren

Überwindung des Henne-Ei-Problems

Ungeachtet dessen, wie rasch nun tatsächlich die Ausbreitung derartiger Anwendungen erfolgt, eines ist sicher - es unterliegt "Metcalfe's Gesetz". Dieses besagt, dass der Nutzen eines Netzwerks quadratisch mit der Anzahl der Teilnehmer steigt, und weist damit auf das "Henne- Ei-Problem" hin: keine Teilnehmer, geringer Nutzen, wenig neue Teilnehmer. Daher ist es wichtig, neue Netzwerktechnologien "rückwärts kompatibel" einzuführen, um die Teilnehmer existierender Netze nach wie vor erreichen zu können - ein neues Telefonnetz ohne Übergang zum existierenden "PSTN" (public switched telephone network) ist mangels anfangs erreichbarer Teilnehmer nicht sehr verlockend.

Daher ist es erforderlich, zwischen den neuen "Breitband-Anwendungen" Telefonie, Video, iSMS und den existierenden Netzen Übergänge zu schaffen, soweit dies von den "alten" Netzen eben unterstützt ist, primär daher Telefonie und SMS, nachdem ein öffentliches Video-Telefonnetz nicht existiert. Die Schaffung derartiger Netzübergänge ist daher ein zentrales Ziel von AT43 und der wichtigste Anwendungsfall der zugrunde liegenden Adressierungstechnologie ENUM.

Überbrückung von Internet und Telefonnetz mit ENUM

Wenn ein solcher Netzübergang entworfen wird, stellt sich die Frage: Wie erreiche ich den Teilnehmer im anderen Netz? Es fallen hierbei vier Szenarien an: Telefonnetz-zu-Telefonnetz, Internet-zu-Internet, Internet-ins-Telefonnetz, und Telefonnetz-ins-Internet.

Das erste Szenario funktioniert seit den Anfängen des Telefonnetzes, und zwar mittels Wählen der Teilnehmernummer. Für die Adressierung im Internet haben sich hingegen "universal resource identifiers" oder URIs durchgesetzt - jedem sind Adressen wie mailto:mah@eunet.at oder http://www.nic.at/ geläufig. Es ist auch leicht möglich, eine Telefonnummer in einem URI "zu verstecken", wie z. B. "sip:+436644213465@gateway.nic.at" - der Transport von Telefonnummern bereitet auf der Internetseite für das dritte Szenario daher keine Probleme. Im Gegensatz dazu ist das öffentliche Telefonnetz auf die Adressierung durch Telefonnummern beschränkt - reine Ziffernfolgen, in denen ein URI nicht untergebracht werden kann. Es bedarf daher eines Abbildungsmechanismus für das vierte Szenario, und dieser ist ENUM (siehe http://enum.nic.at/).

ENUM ist ein Verfahren, mit dem Telefonnummern auf URIs abgebildet werden können - man kann daher einer Nummer im Telefonnetz ein oder mehrere Internet-Attribute beifügen. Dies könnte beispielsweise ein URI sein, unter dem das Endgerät eines Internet-seitigen Teilnehmers erreichbar ist. Wenn noch entsprechend geeignete Nummern auf der Telefonseite verwendet werden, so können Gespräche oder SMSes für diesen Teilnehmer zu einem Netzübergang geführt werden. Dieser "sieht" die Nummer des Zielteilnehmers und stellt mithilfe von ENUM den zugeordneten URI fest, um den Ruf (die Nachricht) Internet-seitig zustellen zu können. ENUM verwendet dazu das Domain Name System des Internet, jenes Verfahren, mit dem Namen wie www.nic.at auf Internet-Adressen wie 192.16.202.11 umgesetzt werden - bloß wird im Falle von ENUM nicht von Name auf IP-Adresse, sondern von Telefonnummer auf URI umgesetzt.

Der österreichische ENUM-Feldversuch, initiiert durch die RTR Anfang 2002, hat rascher als in vielen anderen Ländern zu konkreten Anwendungen und Service-Szenarien geführt. Ergebnisse daraus fließen auch ein in die Neuordnung der Nummerierung in Österreich im Zuge der Umsetzung des neuen Telekommunikationsgesetzes.

Der für den Benutzer wichtigste Effekt ist die Tatsache, dass er eine "ganz normale" Telefonnummer verwenden kann, um einen anderen Teilnehmer zu erreichen - egal ob dieser am Internet, oder im öffentlichen Netz ist, und auch unabhängig davon, auf welcher "Seite" sein Anschluss beheimatet ist. Damit ist der Erklärungsaufwand gering und die Nutzung leicht vermittelbar.

Verfügbarkeit von Endgeräten

Ein ähnlich gelagertes Problem ist die Verfügbarkeit von Anwendungen und Endgeräten, was z. B. bei neuen Netzgenerationen im Mobilfunk eine stete Quelle der Schuldzuweisung zwischen Geräteindustrie einerseits und Netzbetreibern andererseits ist. Diese Schwelle ist überschritten - es gibt ein breites Angebot an "Internet-Telefonen", sei es als "Bürotelefon", einfacher Terminal- adapter für existierende Telefonapparate, oder "soft clients" (Telefonie/Instant Messaging Programm) für die gängigsten Plattformen wie Windows, Windows CE, Apple Macintosh und Linux.

Verfügbarkeit von hochwertigen, freien Codecs

Die Übertragung von Sprache und Video erfordert deren Codierung und Decodierung durch so genannte "codecs". Diese rechenintensive Verarbeitung wurde zunächst mit spezieller Hardware, so genannten "digitalen Signalprozessoren" (DSPs) realisiert. Die Leistungsentwicklung auf dem Gebiet der CPUs für Allzweckrechner ermöglicht es mittlerweile, solche Codecs auf preisgünstiger Massenhardware, wie PCs oder PDAs, in brauchbarer Qualität zu realisieren. Dazu kommen Verbesserungen bei den kritischen Faktoren Stromverbrauch und damit der Batterie-Lebensdauer, was in der Folge tragbare Endgeräte ermöglicht.

Die Kosten von Endgeräten sind wesentlich getrieben durch Lizenzentgelte von einigen geschützten Codecs, die durchwegs auf ITU-Standards beruhen (G.711, G.723.1, G.729 etc.). Andererseits sind gerade diese Codecs keineswegs besonders gut für Internet-Anwendung geeignet. Die Entwicklung von lizenzfreien Codecs, die dazu noch die besonderen Bedingungen im öffentlichen Internet bezüglich Laufzeitvarianz und Paketverlust berücksichtigen, ist ein starker Treiber sowohl für Qualitätsverbesserung als auch Verbilligung von Endgeräten. Beispiele dafür sind der iLBC-Codec der Firma Globalipsound, sowie der Speex-Codec.

Verfügbarkeit von Diensten

Zwar sind erste - teils freie, teils kommerzielle - Dienste am Markt verfügbar, wie z. B. von FreeWorld Dialup, Vonage, Addaline, Inode etc., dieser Markt ist jedoch noch in einer sehr frühen Phase und daher kann die Förderung einer entsprechenden Plattform im akademischen Kontext eine wichtige Vorreiterrolle haben. Anders als eine kompetitive Diensterbringung ist diese Vorgangsweise nicht mit Wettbewerbs-Animositäten und regulatorischen Auflagen belastet und die Ergebnisse können in Form von Open Source Paketen für andere als Starthilfe zur Verfügung gestellt werden.

Geeignete Nummernräume und Tarifierung

Die Erfahrungen des österreichischen ENUM-Trials haben gezeigt, dass der Verfügbarkeit eines geeigneten Nummernraums für die Adressierung von Endgeräten via ENUM sowie entsprechenden Randbedingungen wie einer günstigen Tarifierung eine Schlüsselrolle zukommt. Damit im Zusammenhang sind auch neue Fragen zu lösen, z. B. die Behandlung von Notrufen und die Feststellung des Aufenthaltsorts von Anrufern, so dies als notwendig erachtet wird. Ein derartiger Nummernraum wurde im Zuge der Neufassung der Numerierungsverordnung eingeführt - die Bereiche 780 und 720. Dieser nichtgeografische Nummernbereich für persönliche Nutzung ist ideal für nomadische VoIP-Zwecke geeignet, und andere Länder sind hier dem Vorbild Österreichs bereits gefolgt oder dabei, diese Entwicklung nachzuvollziehen (u.a. Korea, Japan, Irland, Großbritannien, BRD).

Die Intention von AT43

Wir gehen davon aus, dass die wesentlichen "Enabler" für die erwähnten Breitband-Anwendungen bereits vorhanden sind. Wir glauben, dass in Zukunft konvergente Internet-Dienste wie Sprache und Instant Messaging üblicher Bestandteil des Diensteportfolios von ISPs und Telefonfirmen sein werden. Wir wollen daher diese Komponenten beispielhaft in einer Diensteplattform zusammenführen, als Hosting-Service für einen Zeitraum von circa zwei Jahren betreiben und dadurch zur Nachahmung anregen - dabei geht es uns insbesondere um die Erprobung von ENUM in einem realitätsnahen Szenario. Die AT43-Plattform ist als Hosting-Lösung - ähnlich dem virtuellen Webhosting - entworfen, auf die externe Anwendergruppen wie eben die Studenten der Universität Wien und der TU Wien oder die Teilnehmer eines ISPs leicht "aufgeschaltet" werden können.

Ähnlich der Frühphase des Internet, in dem der akademische Sektor eine zentrale Rolle bei der Dienstentwicklung und -verbreitung hatte, ist in dieser Marktphase eine gegenseitige Befruchtung von kommerziellen und "freien" Diensten belegbar - so hat die freie FreeWorldDialup-Community von Jeff Pulver in den USA eine Vorreiter- und Service-Entwicklungsfunktion (vgl. www.fwdnet.org).

Wir wollen im Rahmen von AT43 neben dieser "Vorturner-Rolle" auch eine Reihe von Fragen lösen, denen sich alle Betreiber derartiger Dienste stellen müssen. Darunter sind Fragen der Authentizierung und des Vertrauens auf die Gültigkeit einer Caller-Id bei Internet- basierten Teilnehmern, der Verhinderung von "Spam", sowie der Herausbildung einer "voice peering"-Praxis zwischen iTSPs (als "peering" bezeichnet man die Organisation des Verkehrsaustausches zwischen ISPs - eine ähnliche Koordination wird für Gespräche zwischen den Teilnehmern von iTSPs auch erforderlich sein. Anders als bei der gegenseitigen Verrechnung zwischen Telefonfirmen ist zwischen ISPs keine Verrechnung üblich und dieser Usus wird wohl auch beim "voice peering" beibehalten werden).

Die AT43 Plattform

Funktionsweise von AT43

Für Studierende und Mitarbeiter der Technischen Universität Wien stehen ab Sommer 2004 kostenlos ein SIP-Account (vgl. dazu www.iptel.org/ser/doc/sip_intro/sip_introduction.html), eine persönliche Telefonnummer sowie eine Voice-Mailbox zur Verfügung. Unter dieser Telefonnummer kann der Teilnehmer unterschiedliche Anwendungen wie Instant Messaging, Presence, E-Mail, Telefonie und Video verwenden und erreicht werden.

Im Rahmen des Projektes AT43 wurde an der Universität Wien und in der Folge auch an der TU Wien eine Infrastruktur aufgebaut, die den Universitäts-Angehörigen Folgendes ermöglicht:

Diese Dienste stehen allen teilnehmenden Mitarbeitern und Studierenden der TU Wien nicht nur aus dem TUNET sondern aus dem gesamten Internet zur Verfügung. Insbesondere sind auch Verbindungen mit Teilnehmern anderer freier und kommerzieller Dienste, wie Free WorldDialup, Addaline, Telio, Deltathree etc. möglich.

Zielsetzung

Dieses Projekt dient einerseits der Erprobung und Verbesserung der technologischen Komponenten in einem großangelegten Feldversuch, andererseits aber auch der Evaluierung der Benutzerakzeptanz der Internet-Telefonie und Instant Messaging in Forschung, Lehre und Verwaltung. Die Plattform soll Studierenden eine Möglichkeit bieten, Erfahrungen aus erster Hand mit innovativen Technologien zu sammeln und sich von deren Praxistauglichkeit zu überzeugen. Die Voraussetzungen für eine entsprechende sinnvolle Nutzung durch Studierende finden sich einerseits in der hervorragenden Infrastruktur der Universität und der TU Wien selbst, aber insbesondere auch in den attraktiven Zugangsmöglichkeiten über vergünstigte Breitbandanschlüsse, die zudem durch die aktuelle Breitbandinitiative der Bundesregierung zusätzlich gefördert werden.

Technische Beschreibung

Im Projekt AT43 werden unterschiedliche Komponenten zu einer leistungsfähigen Plattform für Sprachkommunikation und andere Breitbanddienste integriert. Soweit irgendwie möglich, wurde bei der Realisierung auf vorhandene, bewährte Produkte zurückgegriffen. Echte Neuentwicklungen gab es nur in Teilbereichen in Form von Anpassungen oder Implementierungen neuer Protokolle. Die im Rahmen von AT43 aufgebaute Plattform ist somit weitgehend unabhängig von besonderen Gegebenheiten der TU Wien und kann mit geringfügigen Anpassungen (z. B. in der Schnittstelle zur Benutzerdatenbank) auch in jeder anderen Umgebung aufgesetzt werden.

AT43

Die Komponenten von AT43

Im Projekt AT43 werden folgende Komponenten eingesetzt:

Server / Backend:

Endgeräte:
Software-Terminals:

Hardware-Terminals:

Abläufe

Nachfolgend werden die wesentlichsten Abläufe anhand von Beispielen von Sprachverbindungen dargestellt. Analoges gilt für Chat, Video-Konferenzen oder andere Dienste.

Anmeldung am AT43-Service

Jeder aktive Mitarbeiter und Studierende kann sich am AT43-Service anmelden. Dies geschieht über eine Web-Maske (www.at43.at), wobei die Anmeldedaten gegen die ZID Personendatenbank geprüft werden. Im Zuge der Anmeldung wird dem Teilnehmer eine persönliche Telefonnummer in Form einer Durchwahl zugeteilt. Diese Nummer hat die Form +43 599665 abcde für Studenten und +43 599666 abcde für Mitarbeiter (abcde = in der Regel die Nebenstelle). Die Abbildung der Nummer auf den SIP- URI erfolgt über einen automatisch erzeugten ENUM-Eintrag.

Der "Presence"-Dienst

Ein Endgerät - egal ob Softclient oder "Hardphone" - meldet sich nach dem Einschalten bei "seinem" SIP-Server - ganz analog einem GSM-Handy, das nach dem Einschalten sich im Netz registriert. Hier findet auch die Authentizierung statt - diese wird mit dem Radius-Protokoll gegen den Authentizierungsserver des betreffenden externen Hosting-"Kunden" (TU Wien) durchgeführt. Ab dann ist das Endgerät "online" und jene anderen Teilnehmer, die diesen Teilnehmer auf einer "buddy list" verzeichnet haben, sehen ab dann diesen Teilnehmer als "erreichbar". Dies ist sehr ähnlich dem "Presence"-Dienst von AOL, MS Messenger, ICQ und Yahoo Messenger. Leider unterstützen noch nicht alle Endgeräte diesen praktischen Dienst.

Sessions Internet - Internet

Zwischen Teilnehmern, die unmittelbar via Internet erreichbar sind, ist der Verbindungsaufbau auf zwei Arten möglich:

1. Unter Angabe des URI - z. B. "sip:j7650719@at43. tuwien.ac.at" - in diesem Fall erfolgt der Verbindungsaufbau sehr ähnlich wie bei E-Mail; der Server löst die Domain hinter dem "@" in eine IP-Adresse auf und kontaktiert diesen, worauf dieser dem Teilnehmer-Endgerät den Ruf zustellt.

2. Durch "Wählen" der Telefonnummer - z. B. "+43 59966 123456" - in diesem Fall wird im Server zunächst mit einer ENUM NAPTR DNS-Abfrage die Telefonnummer des gerufenen Teilnehmers auf einen URI umgesetzt. In einem zweiten Schritt erfolgt der eigentliche Gesprächsaufbau wie im vorigen Szenario.

Falls eine Telefonnummer gewählt wird, für die kein entsprechender ENUM-Eintrag im DNS existiert, wird angenommen, dass diese Nummer nur über das öffentliche Telefonnetz erreichbar ist. Daher wird dieser Ruf wie im nächsten Abschnitt beschrieben verarbeitet.

Für die gesamte Verbindung fallen bei Szenario 1) und 2) für die Teilnehmer keinerlei Gesprächsgebühren an, abgesehen von allfälligen Kosten des Internet-Zugangs.

Gespräche Internet - PSTN

Um möglichst gute Erreichbarkeit zu und von AT43 Teilnehmern zu garantieren, war es uns wichtig, Rufe sowohl aus als auch in das öffentliche Netz zu ermöglichen. Rufe aus dem öffentlichen Netz sind unprob- lematisch, da dem Betreiber - der Universität - keine nutzungsabhängigen Kosten entstehen. Problematisch ist allerdings die Richtung Internet zu öffentlichem Netz. Einerseits soll dies funktionieren, andererseits wollten wir nicht in die Verrechnungsproblematik hineingezogen werden. Wir haben dieses Problem nun so gelöst, dass die Verrechnung durch existierende Standard-Abläufe bei mehreren Telefonfirmen erfolgen kann:

Ein aktiver Gesprächsaufbau in das öffentliche Telefonnetz ist dann möglich, wenn der Teilnehmer einen Vertrag mit einem Call-by-Call-Provider abgeschlossen hat und dies bei seinen Einstellungen entsprechend konfiguriert hat. In diesem Fall wird bei abgehenden Gesprächen vor die Rufnummer die Vorwahl des eingetragenen Providers eingefügt. Da beim abgehenden Ruf in den Verbindungsdaten die Durchwahl des Teilnehmers mit- übergeben wird, kann eine Abrechnung des anfallenden Gesprächsentgelts durch den Call-by-Call-Provider direkt an den Teilnehmer erfolgen. Da der Anschluss der Universität mit einer Aktivsperre ausgestattet wurde, können über diese Leitungen nur Anrufe mit entsprechender Vorwahl sowie Notrufe abgesetzt werden. Für den anrufenden Teilnehmer fallen hier die Gebühren des Call-by- Call-Providers, bemessen von einem abgehenden Gespräch vom Standort der TU Wien an, unabhängig wo sich der rufende Teilnehmer befindet.

Derartige Call-by-Call-Verträge sind ohne Grundentgelt möglich und es stehen mehrere Telefonfirmen zur Auswahl. Falls der Teilnehmer eine Telefonfirma eingestellt hat, mit der er für seine Nummer keinen Vertrag hat, und einen Ruf ins öffentliche Netz macht, erreicht er üblicherweise den Kundendienst dieser Firma.

Gespräche PSTN - Internet

Eingehende Gespräche aus dem öffentlichen Telefonnetz werden durch einen Cisco 5300 Media Gateway auf VoIP umgesetzt, sofern der gerufene Teilnehmer gerade am SIP-Server registriert ist. Ist dies nicht der Fall, gelangt der Anrufer auf eine Sprachbox, wo er eine Nachricht hinterlassen kann. Diese Sprachmailbox ist mit der freien Software Nebenstellenanlage "Asterisk" realisiert. Die ENUM-Abfrage geschieht in diesem Szenario durch den SIP-Server, der den über den Gateway eingehenden Ruf zum Teilnehmer entsprechend dem Inhalt des NAPTR Records zustellt. Der Anrufer benötigt weder spezielles Equipment, noch muss er weitere Details über die Konfiguration des Teilnehmers wissen, abgesehen von der Rufnummer. Für den gerufenen Teilnehmer fallen keine Kosten an, die Kosten des anrufenden Teilnehmers entsprechen denen eines Telefonates mit der TU Wien - egal wo sich der Angerufene nun befindet.

Abfragen der Voicebox

Jedem Teilnehmer wird eine Voicebox zur Verfügung gestellt, in die ein Anrufer bei Nichterreichbarkeit des Teilnehmers umgeleitet wird. Sprachnachrichten werden per E-Mail zugestellt.

Beenden der Teilnahme

Auf Wunsch des Teilnehmers kann jederzeit die Teilnahme an diesem Service beendet werden. Die vergebene Durchwahl wird für mindestens sechs Monate gesperrt und kann erst nach dieser "Abkühlphase" an einen anderen Teilnehmer vergeben werden.

Benutzerkreis

Derzeitige "Hosting-Kunden" sind die Universität Wien und die Technische Universität Wien - damit sind Studierende und Universitätsmitarbeiter erreichbar, was einer Population von etwa 150.000 Teilnehmern entspricht. Eine Ausweitung auf das gesamte akademische Netz ist denkbar. In einer zweiten Phase wollen wir interessierte ISPs zuschalten. Als gerufene Teilnehmer sind alle über Internet und SIP angeschlossenen Anwender erreichbar.

Innovationen von AT43

Das Konzept einer virtuellen SIP-Hosting Plattform ist neu und wird bei AT43 auf seine Durchführbarkeit überprüft. Neu ist auch die Schaffung eines generischen PSTN/Internet-Übergangs, bei dem - abgesehen vom Internet-Verkehr - beim Betreiber keine variablen Kosten anfallen - dadurch können auch die Kosten für den Teilnehmer im Extremfall auf die ausschließlich variablen Telefonkosten des Call-by-Call-Betreibers reduziert werden. Damit können - bei existierendem Breitbandanschluss - "Anschlüsse" extrem kostengünstig und trotzdem mit voller Funktionalität realisiert werden.

Wir glauben, dass es sich mit AT43 um die derzeit weltweit größte ENUM-Anwendung im Produktionsbetrieb handelt, und wir hoffen, daraus wertvolle Erfahrungen bezüglich der Stabilität, Skalierbarkeit und der Zweckmäßigkeit der eingesetzten Prozesse zu ziehen.

Ausblick

In einer zweiten Phase des Projekts wollen wir AT43 um folgende Funktionalität erweitern:

Zusammenfassung

Mit der Breitband-Diensteplattform AT43 bietet nic.at ein neuartiges Service zunächst für akademische Teilnehmer und in der Folge für breitere Teilnehmerschichten exemplarisch an, um die Verbreitung bei ISPs anzuregen. Weitere Ziele sind die Erprobung und Verbesserung einzelner Dienstekomponenten wie der Test von ENUM in einer großen Benutzerpopulation, sowie der Lösung von Verrechnungs- und Authentizierungsproblemen.


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