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eLearning an der TU Wien

Franz Reichl
Außeninstitut der TU Wien
reichl@ai.tuwien.ac.at

eLearning ermöglicht zeit- und ortsunabhängiges Lernen und ist schon aus diesem Grund eine Ergänzung oder Alternative zu Lehrformen, die Anwesenheit erforderlich machen. Darüber hinaus ermöglicht eLearning Unterrichtsformen, die mit klassischen Lehrveranstaltungen nicht möglich sind. Das Anbieten von Lehrinhalten über Internet und Web-Browser alleine ist aber nicht ausreichend, um eLearning als Lehrform erfolgreich einzusetzen [Grünbacher 2004].

1. Beispiele für eLearning-Projekte und -Aktivitäten an der TU Wien

Mitarbeiter der TU Wien haben in den letzten Jahren auf dem Gebiet des eLearning eine Reihe von Aktivitäten gesetzt. Man hat sich erfolgreich um die Finanzierung von Projekten bemüht und mehrere große Projekte erfolgreich abgeschlossen [Kaiser 2004].

Eine komplette Auflistung aller Aktivitäten an der TU Wien ist unmöglich und würde wohl den Rahmen dieses Artikels sprengen - es sollen jedoch im Lauf der nächsten Monate Projekte und Erfahrungen verschiedener Institute der TU Wien am eLearning-Server der TU Wien (elearning.tuwien.ac.at) präsentiert werden. Hier werden nur ein paar wenige Beispiele aufgelistet, um die Vielfalt der Aktivitäten zu zeigen.

1.1 Virtueller Campus für kooperative Architekturlehre

Im Rahmen der Initiative "Neue Medien in der Lehre" wird an der Fakultät für Architektur und Raumplanung seit Herbst 2002 ein "Virtueller Campus" aufgebaut. Vorrangiges Ziel ist die Unterstützung der Präsenzlehre, mittelfristig sollen die technische Infrastruktur und die didaktischen Methoden aber auch zu einem wesentlichen Element der postgradualen Lehre werden. Die Kernkomponenten des "Virtuellen Campus" sind ein Lehrportal, eine Mediendatenbank, sowie Groupware und Courseware-Tools [Kühn 2004].

1.2 iChemLab - Internet-basiertes System für chemische Laborübungen

iChemLab (Projekt im Rahmen der Initiative "Neue Medien in der Lehre an Universitäten und Fachhochschulen" des bm:bwk) zielt als internet-basiertes Informationssystem auf Bewahrung und Wartung experimenteller Daten für chemische Laborkurse. Für iChemLab wurde eine Datenbankanwendung entwickelt, welche mehr als 400 detaillierte synthetische Arbeitsanleitungen enthält, die aus der Überarbeitung von ca. 7500 Laborberichten der letzten 5 Jahre extrahiert wurden. In die Webdatenbank wird regelmäßig das von den Studierenden/AssistentInnen während der Laborkurse erhaltene Feedback eingearbeitet, um so die Vorschriften iterativ zu verbessern [Fröhlich 2004].

1.3 VIRTUELA - Virtual Euro Laser Academy

Im Rahmen des (von der EU unter LEONARDO geförderten) Projekts VIRTUELA wurde Lernsoftware zur Simulation des Einsatzes von Lasertechnik in der Mate- rialbearbeitung entwickelt. Mit dieser Lernsoftware können die Lernenden "virtuell" Laser zur Materialbearbeitung aus verschiedenen Komponenten zusammenbauen und Parameter von Laseranwendungen sowohl theoretisch durchrechnen als auch an virtuellen Modellen praktisch erproben. Die Simulationen umfassen verschiedene Laser (CO2, Feststoff, Halbleiter, Excimer), verschiedene Werkstoffe und verschiedene Prozesse der Materialbearbeitung (Schneiden, Schweißen, Wärmebehandlung, Abtragung) [Bielak/Stiglbrunner 2004].

1.4 eLearning an der Fakultät für Physik

ESPACE ist ein Europäisches Projekt (gefördert im Rahmen von Comenius), das State-of-the-Art Lehre unterstützt. ESPACE nutzt das Internet für ein eLearning-System über Teilchen-, Kern- und Astrophysik und hilft Studierenden und Lehrenden dabei, Erfahrungen mit Multimedia Technologie zu gewinnen [Oberhummer 2004, www.espace-cd.net].

Das EU-Projekt NUPEX (gefördert im 5. Rahmenprogramm der EU) entwickelt zur Unterstützung von Lehrkräften ein eLearning-System zu Kernphysik und deren Anwendungen in mindestens 6 Europäischen Sprachen [Oberhummer 2004, www.nupex.org].

Das von der EU im 6. Rahmenprogramm geförderte Projekt CISCI entwickelt ein eLearning-System über das in Spielfilmen vermittelte Bild von Naturwissenschaften und Technik [Oberhummer 2004].

1.5 eLearning für Arbeitswissenschaft und Betriebswissenschaft

Im Rahmen wissenschaftlicher Begleitforschungen, Diplomarbeiten und einer Dissertation entstand ein eLearning-Gesamtkonzept für sämtliche Haupt- und Kernveranstaltungen der Fachbereiche Arbeitswissenschaft und teilweise jener der Betriebstechnik mittels einer "Blended Solution", also eines ausgewogenen "Mix" aus verschiedenen informations- und kommunikationstechnischen Präsentations- und Unterrichtstechniken sowie Präsenzlehre. Derzeit kommen insgesamt neun Online-Kursmodule zum Einsatz, von welchen im letzten Studienjahr 450 Studierende in fünf Übungsveranstaltungen profitierten. Als nächster Schritt sind die Onlineversion einer derzeit nur an institutseigenen Laborcomputern verfügbaren Simulationssoftware für Unternehmensplanspiele, die ein Arbeiten von Zuhause ermöglicht, und die Konzeption eines computergestützten "Selbstprüfungssystems" geplant [Morscher 2004].

1.6 eBooks

Prof. Lohninger entwickelt seit dem Jahr 1997 elektronische Lehrunterlagen im Fachbereich Chemie sowie in verschiedenen weiteren Sachgebieten, z.B. Teach/Me, ein HTML-basiertes Lehrbuch zur Statistik mit interaktiven Beispielen, sowie elektronisch aufbereitete konventionelle Bücher [Lohninger 2004].

2. Aktiver Lernsupport für eLearning in der universitären Weiterbildung

Universitäre Ingenieurweiterbildung stellt ein wichtiges Anwendungsfeld für eLearning dar: Die Zeitressourcen der TeilnehmerInnen an Weiterbildungskursen sind oft extrem knapp bemessen, und (zahlende) Teilnehmer sind Praktiker und Profis mit speziellen Bedürfnissen: Praktiker kommen bereits mit Vorkenntnissen zu einem Kurs; ihre Motivation zu lernen ist hoch, aber - im Unterschied zu Studierenden im Grundstudium - nicht auf einen formalen Abschluss ausgerichtet; im Vordergrund steht bei Praktikern der Erwerb von Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Lösung unmittelbar anstehender Probleme der Praxis. Universitäre Ingenieurweiterbildung muss die Bedürfnisse berücksichtigen. Es genügt nicht, den TeilnehmerInnen online-Material zum Selbststudium zur Verfügung zu stellen; aktiver Lernsupport kann ein soziales Setting schaffen, das Interaktion unterstützt und die Effektivität des Lernens steigert.

2.1 Experimente mit Lernunterstützung

Das von der EU im Rahmen des Programms SOCRATES/ODL geförderte Projekt FACILE (FACIlitated open distance Learning for continuing Engineering education - 1998-2000) ermöglichte es den Weiterbildungszentren verschiedener Europäischer Technischer Universitäten unter der Leitung des Außeninstituts der TU Wien, Erfahrungen mit Unterstützung von Lernenden bei eLearning in der Ingenieurweiterbildung zu sammeln. Dabei wurde mit verschiedenen Modellen experimentiert:

2.2 Wissens- und Lerntypen

Die Konsequenzen aus diesen Erfahrungen sind in Zusammenhang mit verschiedenen Lerntypen [Baumgartner/Payr 1999, Payr 1999] zu sehen:

2.3 Online-Lernmaterial

Reflexion, Teamlernen, Beratung und Interaktion sind entscheidend für den Erfolg jeder Lernaktivität. Insbesondere in einer heterogenen Lernsituation, wie sie die universitäre Weiterbildung darstellt, profitieren die Lernenden vom Austausch ihrer unterschiedlichen Kenntnisse, Erfahrungen und Sichtweisen. Erfahrungen mit Tutored Video Instruction [Gibbons 1977, Gibbons/Kincheloe/Down 1977] haben schon früh gezeigt, dass Lernen nicht direkt durch das verwendete Lernmaterial erfolgt; das Lernmaterial dient eher dazu, den Lernprozess zu strukturieren, während der tatsächliche Lerneffekt sich zumeist dann einstellt, wenn die Teilnehmer ihre eigenen Probleme und Erfahrungen in diesen Prozess einbringen können.

Aus der Tatsache, dass "know how" und "can do" die wichtigsten Lerntypen der universitären Weiterbildung darstellen, könnte geschlossen werden, dass das Lernmaterial relativ irrelevant wäre; tatsächlich bezogen sich die Lernenden in FACILE in ihrer Interaktion auch nur marginal auf das Material. Dennoch ist das Lernmaterial und dessen Qualität aber von großer Bedeutung, da es wesentliche Funktionen erfüllt:

Die Aneignung von Fertigkeiten und die Befähigung zur Umsetzung des erlernten Wissens in die Praxis stehen somit im Mittelpunkt jeder Weiterbildungsmaßnahme für Praktiker. Diese Art des Lernens erfordert ein hohes Maß an Interaktion und intensive Unterstützung.

2.4 Aktiver Lernsupport

Eigenverantwortung der Lernenden ist von großer Bedeutung: Die Effektivität des Lernens ist höher, wenn Lernende die Gelegenheit haben, Lösungen und Konzepte selber zu entdecken. Aufgabe eines Tutors ist es daher nicht, zu lehren oder Inhalte zu wiederholen, sondern die Lernenden bei diesem eigenverantwortlichen Entdecken zu betreuen und unterstützen. Wichtigste Aufgabe des AktivTutors ist die Motivation der Lernenden zu dieser Art des Lernens - nicht als extrinsische Motivation z.B. durch Sanktionen, sondern durch die Förderung des Zusammenhalts in der Lerngruppe, die ihre eigene soziale Dynamik entwickelt.

Abb. 1

In FACILE war die Rolle für den AktivTutor wie folgt definiert [Reichl/Vierlinger 2003]:

Während ContentProvider und Experten in ihrem Fachgebiet kompetent sein müssen, muss der AktivTutor von den Inhalten lediglich genug verstehen, um zu entscheiden, ob die Frage eines Lernenden innerhalb der Lerngruppe beantwortet werden kann oder Rat eines Experten erfordert. Wichtiger sind soziale, kommunikative und auch technische Kompetenz des AktivTutors. Bei der von uns entwickelten Methode des aktiven LernSupports werden die unterschiedlichen Rollen der involvierten Akteure (ContentProvider, Experten, AktivTutor, Lerner) repräsentiert - die jedoch nicht notwendigerweise von unterschiedlichen Personen wahrgenommen werden. Die soziale und kommunikative Kompetenz des AktivTutors ist selbstverständlich auch dann von entscheidender Bedeutung, wenn diese Rolle z.B. von einem der Experten oder ContentProvider übernommen wird.

2.5 eLearning am Außeninstitut der TU Wien

Die Erfahrungen zeigen, dass pro-aktives Tutoring die Effizienz und Effektivität des Lernens steigern und Drop-Out-Raten reduzieren kann. Während der letzten Monate hat das Außeninstitut diese Erfahrungen im Rahmen von zwei kurzen Intensivseminaren in der Weiterbildung umgesetzt:

Dabei wurde Blended Learning nach folgendem Konzept angewendet:

Abb. 2

Seit Herbst 2002 koordiniert das Außeninstitut das EU-Projekt "ICETEL - Improving Continuing Education and Training through E-Learning" (gefördert im Rahmen der eLearning-Initiative der EU - www.ai.tuwien.ac.at/eucen/icetel.html) zur Vernetzung und Verbreitung von Expertise zur Anwendung von eLearning in der universitären Weiterbildung.

Anfang 2004 wurde von ehemaligen Projektmitarbeitern des Außeninstituts die Spin-Off-Firma "eDaktik Lernlösungen" im Bereich eLearning gegründet [www.edaktik.at].

3. Aufbau eines eLearning-Zentrums der TU Wien

Auf Initiative von Vizerektor Kaiser wird ein "eLearning-Zentrum" im Bereich des Außeninstituts angesiedelt, um die verschiedenen Aktivitäten durch eine geeignete Organisationsstruktur innerhalb der TU Wien zu unterstützen. Das Außeninstitut wird im Rahmen dieses neuen "eLearning-Zentrums" den Studienrichtungen und Instituten der TU Wien die in den Projekten erworbenen Erfahrungen verfügbar machen.

Die primären Aufgaben dieses Zentrums für die nächste Zeit sind:

Mittelfristig sollen Serviceleistungen für eLearning-Aktivitäten aufgebaut werden und Hilfeleistungen bei der Umsetzung von eLearning-Ideen angeboten werden. Dem eLearning-Zentrum wurde ein Beirat unter der Leitung von Prof. Johannes Fröhlich zur Seite gestellt, der die strategische Planung innerhalb der TU Wien durchführen soll [Kaiser 2004].

Über Aktivitäten, Veranstaltungen und Termine wird regelmäßig am eLearning-Server der TU Wien (elearning.tuwien.ac.at) berichtet werden.

Referenzen

P. Baumgartner, S. Payr: Lernen mit Software. 2nd ed. Innsbruck, Studienverlag. 1999.

R. Bielak, C. Stiglbrunner: Präsentation des Projekts VIRTUELA, 1. eLearning-Tag der TU Wien. 20.1.2004. www.argelas.org/virtuela/main.htm

J. Fröhlich: iChemLab - ein Internet-basiertes Informations- und Managementsystem für chemische Laborübungen. Nachlese zum 1. eLearning-Tag der TU Wien. 20.1.2004. www.ai.tuwien.ac.at/elearning/eltag_download.html, www.ichemlab.at

J.F. Gibbons: Tutored Videotape Instruction. Conference on Educational Applications of Satellites, Arlington/VA. 1977.

J.F. Gibbons, W.R. Kincheloe, K.S. Down: Tutored Videotape Instruction: A New Use of Electronics Media in Education. Science, vol.195, 1129-1146. 1977.

H. Grünbacher: Verwalten von e-Learning Inhalten und Kursen: Lernplattform oder einfache Web-Seiten? Nachlese zum 1. eLearning-Tag der TU Wien. 20.1.2004. www.ai.tuwien.ac.at/elearning/eltag_download.html

H. Kaiser: Statement des Vizerektors für Lehre zur Eröffnung des eLearning-Tages. Nachlese zum 1. eLearning-Tag der TU Wien. 20.1.2004. www.ai.tuwien.ac.at/elearning/eltag_download.html

C. Kühn: Der virtuelle Campus als Arbeitsumgebung für eine kooperative Architekturlehre. Nachlese zum 1. eLearning-Tag der TU Wien. 20.1.2004. www.ai.tuwien.ac.at/elearning/eltag_download.html, modulor.tuwien.ac.at/

H. Lohninger: e-Books - ein Ersatz für konventionelle Lehrbücher? Nachlese zum 1. eLearning-Tag der TU Wien. 20.1.2004. www.ai.tuwien.ac.at/elearning/eltag_download.html

M. Morscher: Blended Solution am www.IBAB.tuwien.ac.at - e-Learning am Institut für Betriebswissenschaften, Arbeitswissenschaft und Betriebswirtschaftslehre (E330). Nachlese zum 1. eLearning-Tag der TU Wien. 20.1.2004. www.ai.tuwien.ac.at/elearning/eltag_download.html, www.ibab.tuwien.ac.at/aw

H. Oberhummer: e-Learning Initiativen in der Fakultät für Physik der TU Wien. Nachlese zum 1. eLearning-Tag der TU Wien. 20.1.2004. www.ai.tuwien.ac.at/elearning/eltag_download.html

S. Payr: Tele-Training on the Job. Experiments and Experiences in Media Integration. EdMedia/EdTelecom, Seattle, WA. 1999.

F. Reichl, U.E. Vierlinger: Tutor-enhanced eLearning for University Based Continuing Education. Proceedings, ED-MEDIA June 23-28, 2003. Honolulu, Hawaii, USA. Association for the Advancement of Computing in Education, 2003

F. Reichl, S. Payr, G.S. Csanyi, U.E. Vierlinger: Joint European Continuing Education Courses with Facilitated Open Distance Learning. Industry & Higher Education, Vol.15, No.5, Letchworth, UK: IP Publishing Ltd. 2001


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