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Open Source im öffentlichen Bereich

Udo Linauer
Stabsstelle IKT-Strategie des Bundes

udo.linauer@cio.gv.at

Gerne habe ich die Einladung angenommen, über die Aktivitäten im Bereich freier Software (Open Source) im öffentlichen Bereich zu berichten. Nicht ganz zu Unrecht besteht der Eindruck, dass in Österreich diesbezüglich nicht viel los sei, im Vergleich zu Deutschland in etwa. Dass dies nur zum Teil stimmt, möchte ich belegen, wohin der Zug abfährt und wo noch Probleme vorliegen, wird den zweiten Teil dieses Berichts bestimmen. Die gute Nachricht aber vorweg: Allgemein herrscht Einigkeit, dass das Modell "Open Source" auch auf lange Sicht Vorteile bringen wird und es sich dabei keinesfalls um eine irrelevante Modeerscheinung handelt.

Vorarbeiten

Open Source ist (noch) keine Feder, mit der sich Entscheidungsträger im öffentlichen Bereich gerne schmücken. Was auch immer der Grund dafür sein mag, hinter den Kulissen tut sich jedoch einiges. In der Öffentlichkeit wird zumeist die Wichtigkeit offener Standards und Schnittstellen betont, nicht zuletzt auch von der für Entwicklung und Umsetzung von E-Government verantwortlichen Stabsstelle IKT-Strategie im Bundeskanzleramt, für die ich arbeite. Nur so könne in einer heterogenen IT-Landschaft Vernetzung funktionieren, E-Government stattfinden. Das vordringliche Interesse auf technischer Ebene liegt also in den Open Interfaces, die Stabsstelle hat jedoch nie verschwiegen, dass deren Umsetzung ausgezeichnet mit Open Source zu erreichen sei. Auf einer anderen Front arbeitet das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (BMWA), das eine Studie mit dem Titel "Auswirkungen von Open-Source Software auf den Arbeitsmarkt" in Auftrag gab, um den Einfluss  des Einsatzes von Open Source Produkten auf den lokalen Arbeitsmarkt zu erforschen. Die Ergebnisse finden Sie unter: www.open-source.at.

Dies heißt aber nicht, dass nicht an konkreten Projekten gearbeitet wird und der Boden für weiteren Einsatz von Open Source Produkten bereitet werden soll. Worin bestehen denn nun diese Aktivitäten? Zuallererst sollte eine Änderung in der Vorgehensweise hervor gestrichen werden. Bei großen Projekten wird inzwischen darauf Wert gelegt, dass Schnittstellen in technologieunabhängiger Form spezifiziert werden und somit selbst Open Source sind. Beispiele dafür sind die Bürgerkarte, die ja bekannterweise nicht eine physikalische Karte ist, sondern vielmehr ein Konzept, in dem Kernfunktionen wie Erstellung von elektronischen Signaturen und zertifikatsbasierte Authentifizierung beschrieben wird. Das gleiche gilt für den verwaltungsinternen Verzeichnisdienst (www.cio.gv.at/it-infrastructure/directory-services/), bei dem es leichter gewesen wäre, das eine oder andere kommerzielle Produkt zu wählen oder auch für den Portalverbund (www.cio.gv.at/it-infrastructure/portal/), der es Betreibern von Portalen erlaubt, die Authentifizierung und Autorisierung an andere Portale zu delegieren.

Die Anstrengungen, Anforderungen an Software technologieunabhängig zu beschreiben, verfolgen ein Modell modularer Softwarekomponenten. Die gegenseitigen Abhängigkeiten und die daraus resultierende Bevorzugung von gewissen Produktfamilien soll abgestellt werden. Damit erhöhen sich auch die Chancen von neuen Produkten, unter anderem auch von Open Source Software.

In dieselbe Kerbe schlägt ein offizieller Beschluss des IKT-Boards, der besagt, dass neu anzuschaffende Server- Hardware linuxtauglich sein muss (www.cio.gv.at/ikt-board/beratungen/open-source/recommendation/). Einen Schritt weiter noch geht der Beschluss (www.cio.gv.at/ikt-board/beratungen/security/discussion/) desselben Gremiums zum Thema ausfallsichere Applikationen mit der Feststellung: "... Für neue Anwendungen wird in den höheren Schutzklassen, die ein Ausweichsystem erfordern, in Hinkunft Linux als Systembasis einzusetzen sein." Das heißt, dass in dem besonderen Umfeld der ausfallsicheren Applikationen aus Kosten- und Effizienzgründen Linux der Vorzug gegeben wird.

Abschließend sind die Bestrebungen der Bundesbeschaffungsgesellschaft zu erwähnen, die Geschäftspartner für einen Rahmenvertrag im Bereich der Anschaffungen und Dienstleistungen im Bereich Open Source sucht.

"Governmental" Open Source

Immer mehr Eigenentwicklungen laufen im öffentlichen Bereich unter der Bezeichnung "Governmental Open Source". Damit wird Software bezeichnet, die Körperschaften des öffentlichen Rechts im Quellcode und meistens auch kostenlos zur Verfügung steht. Die Intention dafür ist dieselbe wie bei "echter" Open Source, nämlich der Wunsch nach gemeinsamer Weiterentwicklung und Verbesserung, sowie der einfachen Adaption an spezielle Anforderungen. Warum werden diese Programme nicht gänzlich freigegeben? Oft sind Bereiche des E-Government und der elektronischen Signatur betroffen, in denen es wenige Anbieter gibt, denen nicht aus Steuermitteln finanzierte Konkurrenz gemacht werden soll. Beispiele für derartige Software sind die so genannten Basismodule für Signaturerstellung und Prüfung, sowie für Personenidentifizierung mittels Bürgerkarte (www.cio.gv.at/onlineservices/basicmodules/).

"Echte" Open Source

Wir erreichen langsam aber sicher den Aspekt, der in der Regel unter dem Titel Open Source Schlagzeilen macht, aus unserer Sicht aber nur einen Teil des Gesamtszenarios darstellt, nämlich den Einsatz von Open Source Produkten und deren (Mit)Entwicklung. Die Durchdringung mit Open Source Produkten ist in den einzelnen Körperschaften ganz unterschiedlich weit gediehen. Manche Organisationseinheiten haben dahingehend eine Vorreiterrolle, andere beginnen erst mit dem Einsatz. Wir wollen uns auf eine Vorreiterin konzentrieren. Die im Vergleich mit München viel gescholtene Stadt Wien hat seit Jahren ausschließlich UNIX-Fileserver im Einsatz, von denen inzwischen 75% Linuxserver sind. Ähnlich verhält es sich bei den Webservern. Dementsprechend gibt es in solchen Organisationen auch Personen, die Administration und Wartung von einer großen Anzahl von Servern beherrschen, Software adaptieren und auch selbst programmieren. Dabei entstand ein Umfeld, in dem es möglich ist, Lösungen selbst zu programmieren, wenn kein geeignetes Produkt erhältlich ist. So wurde in Wien unlängst die auf ZOPE (www.zope.org) basierende Groupware "vieW4" (= "vienna World Wide Web Workgroups") entwickelt (www.cio.gv.at/service/newsletter/Newsletter_05_03.html). Ich kann nur empfehlen, einen Blick auf dieses Projekt zu werfen. Diese Groupware wird inzwischen schon in einigen anderen Behörden eingesetzt und ist ein gutes Beispiel für Open Source Entwicklungen im öffentlichen Bereich.

Problembereiche

Leider gibt es noch immer Bereiche, in denen keine Open Source Produkte existieren bzw. deren Einsatz nicht möglich ist. Ein heikles Thema ist jenes der sicheren elektronischen Signatur, die derzeit nur mit Signaturkarten realisiert ist. Es gibt keine Lösungen diesseits von Microsoft Windows. Um dieses Problem zu entschärfen, führt das neue E-Government Gesetz (labs.cio.gv.at/egovg/) die so genannte Amtssignatur ein. Es handelt sich dabei um eine zeitlich befristete Signaturvariante, die weniger rigiden Sicherheitsvorschriften unterliegt und  z. B. unter dem plattformunabhängigen Einsatz von Mobiltelefonen realisiert werden könnte.

Weiters gibt es Probleme mit in Fachapplikationen üblichen Fat-Clients, die bisweilen die freie Wahl von Betriebssystemen und / oder anderer Software unmöglich machen.

Zuletzt möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass die Ausbildung starke Schlagseite hat. Leider wird der Schulung mit dem Umgang mit Open Source Produkten noch immer viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.


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