Lack of money is the root of all evil
- George Bernard Shaw
Von MICROsoftware zu OPENsoftware:
Open Source Software im Vormarsch
Antonin Sprinzl
Softwareprodukte von Open Source Software (OSS) sowie die OSS-Bewegung
gewinnen bei den Anwendern zunehmend an Attraktivität. Anwender von Informationssystemen
sehen sich heutzutage einer Vielfalt von Forderungen konfrontiert. Einhaltung
von Standards, Inter-operabilität von Komponenten unterschiedlicher Produktanbieter
untereinander sind gefragt. Proprietäre Produktanbieter sind trotz ihrer
redlichen Bemühungen kaum mehr in der Lage, die Komplexität der Anwenderbedürfnisse
in ihrer Gesamtheit zu bewältigen. Produkte und Services aus einer Quelle
sind daher immer weniger anziehend. Nach neuen offenen, kombinierbaren
Lösungsansätzen wird gefragt. Die Open Source Software bietet auch im Bereich
"Ausbildung und öffentliche Verwaltung" eine Reihe lizenzgebühren-freier
Lösungsmöglichkeiten, die sich durch hohe Qualität und Realisierungsökonomie
auszeichnen. Die OSS-Entwicklung verdient besondere Aufmerksamkeit. Der
Goodie Domain Service als lokale Quelle bietet ein Volumen von 1 TB an selektierten
OSS-Komponenten und -Systemen.
Kurz zur Vorgeschichte,
treibende Motivation
Die emsigen Aktivitäten vieler Hardware-Hersteller sowie Software-Anbieter
Ende des vorigen Jahrhunderts brachten eine bunte Vielfalt von Lösungen
mit sich, die aus der Anwenderperspektive eines gemeinsam hatten: eine
ruinöse Inkompatibilität. Der Anwender stand vor der Entscheidung:
-
eine Vernunftheirat auf Gedeih und Verderb mit einem bestimmten Hersteller,
Produktanbieter einzugehen, oder
-
zahlreiche Interoperabilitätsprobleme in Kauf zu nehmen, die in der Regel
aus der Komponenten- und Schnittstellen-Inkompatibilität resultierten.
Die Situation hatte sich durch die weitere Zunahme der Softwarekomplexität
verschärft, die auf die anhaltende Leistungsteigerung sowie gestiegene
Anwendererwartungen zurückzuführen war. Das zunehmende Chaos war nur durch
Standardisierung und Modularisierung von Komponenten und Schnittstellen
in den Griff zu bekommen.
Eine besondere Erwähnung in dieser Hinsicht verdient Richard Stallman,
ein engagierter Verfechter der freien, herstellerunabhängigen Software.
Stallman startete Mitte der 80er-Jahre das GNU-Projekt (gd.tuwien.ac.at/www.gnu.org/),
das später organisatorisch in die Free Software Foundation (FSF) eingebettet
wurde. Das GNU-Projekt wurde anfangs von manchen belächelt. Der Kreis der
GNU-Nutznießer wuchs aber von Jahr zu Jahr. Das Projekt wurde zum großen
Erfolg. Stallmans leitende Vorstellung bzgl. der Softwarefreiheit lautete:
Freiheit hinsichtlich der Programm-Ausführbarkeit und -Modifizierbarkeit
sowie der -Redistributierbarkeit. Seine Vorstellung von Softwarefreiheit
fand später auch ent-sprechenden Eingang in die Open Source Definition
(OSD, gd.tuwien.ac.at/OSD.html).
Stallman stand mit seinem unermüdlichen Einsatz für die Idee der Softwarefreiheit
als beispielgebendes Vorbild für eine Reihe von Fachleuten, die seinem
Beispiel folgten. Diese haben einen signifikanten Beitrag zur allmählichen
Verbreitung der OSS beigetragen: Linus Torvalds mit der Anfang der 90er-Jahre
begründeten Linux-Bewegung (gd.tuwien.ac.at/opsys/linux/), Larry Wall als
Begründer der administrativen Programmiersprache Perl (at.cpan.org), Brian
Behlendorf als Leader des Web-Server-Projektes Apache (gd.tuwien.ac.at/www.apache.org/),
Rasmus Lerdorf als Leader der server-side Programmiersprache PHP, um nur
einige herausragende Persönlichkeiten zu nennen.
Warum begeistern sich Anwender für OSS ?
Die auffallend starke Zunahme der Attraktivität von OSS bei Anwendern ist
in mehreren Faktoren begründet:
-
Strategische Perspektive: Systemkontrolle
Ein Informationssystem wird heutzutage
als ein strategisches Gut angesehen. Dementsprechend behält der Anwender
gerne die Kontrolle und die Freiheit über die Sys-temkomposition, den Einsatz
oder Ersatz von Systemkomponenten in eigenen Händen. OSS wird in gemeinsamer
Kooperation von vielen Individuen und Organisa-tionen, oft weltweit verteilt,
herstellerneutral erstellt. Ökonomische Überlegungen stellen keine Voraussetzung
für die Erstellung oder den weiteren Bestand der Software dar. Damit ist
ihre Existenz, Pflege etc. auch in Zeiten ökonomischer Turbulenzen gesichert.
Der Crash-Boom von Dot-Com Firmen in den USA fand z.B. im OSS-Bereich keine
Entsprechung.
-
Preis/Leistungsverhältnis, Softwarequalität
OSS zeichnet sich durch ein
besonders "günstiges" Preis/Leistungsverhältnis aus. Die Produktqualität
ist in den meisten Fällen beeindruckend. Im Klartext bedeutet dies, dass
OSS-Komponenten und -Systeme, die üblicherweise den anerkannten Branchenstandards,
Modularisierungsprinzipien und Integrations-forderungen genügen, zum Träger-Beschaffungspreis
zu bekommen sind (CD-Kauf, Internet-Download etc.). Für OSS sind keine
Gebühren zu entrichten (s.a. Open Source Definition (OSD), gd.tuwien.ac.at/OSD.html).
-
Sicherheitsperspektive
OSS bietet Sicherheit. Die Implementation von "Trojanern"
etc. in OSS ist um Größenordnungen schwieriger als vergleichsweise bei
proprietärer Software. OSS ist bekanntlich für die breite Öffentlichkeit
einsehbar. Sie kann daher von Fachleuten leicht auf "Herz und Nieren" untersucht
werden. In dieser Hinsicht leistet die OSS-Community einen namhaften Beitrag
zur Softwaresicherheit in der ganzen IT-Industrie.
-
Softwareanpassung an Anwenderprofil
Bei der Konzeption von OSS werden unterschiedliche
Anwenderperspektiven und Bedürfnisse (der Beteiligten) berücksichtigt.
Softwarekomponenten vom OSS-Pool sind daher in der Regel für ein breites
Anwendungsspektrum gedacht, leicht konfigurierbar und ausgezeichnet dokumentiert.
Sie sind infolge ihres modularen Aufbaues an die spezifischen Bedürfnisse
der Endanwender rasch anpassbar. (Im Extremfall wird die gewünschte Funktionalität
durch die Änderung des begleitenden Quellcodes erzielt).
-
Breite Betreuungsbasis
Für den Anwender von OSS-Komponenten kommen mehrere
Betreuungsebenen in Frage: Studium der Begleitdokumentation (als Beispiel
s. Linux Documentation Project (LDP), gd.tuwien.ac.at/opsys/linux/LDP/);
Subskription von einschlägigen Diskussionslisten; Rückgriff auf eine Vielzahl
von spezialisierten Consultingfirmen;
-
Massive Ausweitung des Anwendungsspektrums
Der bisherige, als bereits von
vielen etabliert angesehene infrastrukturelle IT-Bereich (linuxbasiertes
System) wurde um den strategisch wichtigen Office- und Datenbank-Bereich
ausgeweitet, vor allem durch die Komponenten OpenOffice (gd.tuwien.ac.at/office/openoffice/)
und MySQL (gd.tuwien.ac.at/db/mysql/). Schätzungen zufolge gibt es derzeit
über 10000 OSS-Applikationen und Middleware (davon 4000 im IT-Bereich).
-
Aushängeschilder für OSS
In wichtigen Businessbereichen können immer häufiger
umfangreiche, OSS-basierte Implementationen angetroffen werden. Als Paradebeispiel
ist hier Google zu nennen, als einer der derzeit besten Suchdienste im
Internet. Mit ihrer "Server-Farm", die aus über 4000 PC-basierten Linux-Servern
besteht, wurde die hervorragende Skalierbarkeit von Linux unter Beweis
gestellt.
-
OSS-Werbung durch Firmen
Namhafte IT-Firmen, allen voran IBM, HP und Sun
haben die Bedeutung des OSS-Marktes längst erkannt. Sie versuchen ihre
Kerngeschäftsbereiche durch den Einsatz von beträchtlichen Mitteln derart
umzugestalten, um durch die Inklusion des vorhandenen OSS-Potentials und
der im OSS-Bereich geltenden, gelebten Kultur neue Synergieeffekte zu
erzielen. Der dabei als Nebenprodukt in der breiten Öffentlichkeit erscheinende
Werbeeffekt zu Gunsten von OSS ist beträchtlich (s. insbesondere bei IBM).
-
Unbehagen mit proprietären Produktanbietern
Einerseits neigen proprietäre
Produktanbieter grundsätzlich dazu, durch geschickte Marktstrategien die
Anwender an das eigene, proprietäre Environment zu binden. Andererseits
sind sie infolge der massiv zugenommenen Vielfalt von Forderungen seitens
der Anwenderschaft sichtlich überfordert, das breite Spektrum der Anwenderbedürfnisse
bei angemessenen Preisen zu befriedigen.
Gegenwärtige Situation
OSS erfreut sich zunehmend einer besonderen Beliebtheit sowohl im Ausbildungsbereich,
in der öffentlichen Verwaltung als auch im Internet/Telefon-Anbieterbereich.
OSS findet aber auch einen enorm gestiegenen Zuspruch im Businessbereich:
im Bank- und Versicherungswesen, in den Industriebetrieben sowie im Distributionsbereich
(in kleinen und mittelgroßen Handelsfirmen). Manche Interessensgruppierungen
im non-for-profit Bereich könnten ohne OSS-Einsatz sogar eine öffentliche
Präsenz im Web kaum erreichen.
Der Einzug von OSS in die öffentliche Verwaltung in vielen Ländern ist
deutlich zu beobachten. In Südamerika, vor allem in Brasilien, in der Dritten
Welt aber auch in Europa (Frankreich, Italien) werden im legistischen Bereich
Stimmen immer lauter, dem Einsatz von OSS Vorzug zu geben bzw. den Einsatz
überhaupt legistisch zu erzwingen, siehe hierzu auch die hervorragend strukturierte
Seite der österreichischen Regierung "Ihr Amtshelfer im Internet" (help.gv.at),
die mit OSS Komponenten, Apache, PHP, OpenSSL (u.a. "nicht sichtbaren"
im Hintergrund) realisiert wurde.
Laut Forschungsumfragen gewinnt vor allem im infrastrukturellen Bereich
der Einsatz von OSS zusehends an Boden. Allein im Laufe des vergangenen
Jahres, das für manche Anbieter devastierend ausging, erfuhr die Zahl neuer
Linuxinstallationen eine ungebrochen anhaltende 30%ige Zunahme. Der WWW-Server
Apache z.B. als Sprössling der OSS-Bewegung gehört inzwischen zu den meistverbreiteten,
wichtigsten Komponenten des WWW.
Die Liste jener Firmen, die sich bereit zeigen, die OSS-Entwicklung zu
unterstützen, nimmt kontinuierlich zu. Dabei kann ein Umdenkprozess beobachtet
werden: vom produktbasierten zum service- und beratungsbasierten Konzept
der Gewinnerzielung.
Zukunftstendenzen
Laut Schätzungen soll das Wachstum der linuxbasierten Systeme noch einige
Jahre bei knapp 30% liegen. Die zunehmende Einhaltung von Linux Standard
Base (LSB) als Integrationsbasis wird eine weitere Verbesserung der Interoperabilität
von OSS-Komponenten und -Distributionen untereinander mit sich bringen.
Im herkömmlichen Unix-Bereich ist aufgrund des massiven Vordringens von
Linux mit einem weiteren signifikanten Rückgang von herstellerspezifischen
Unix-Varianten zu rechnen. IBM hat diese Tendenz am frühesten erkannt und
durch massive Reinvestition in naher Vergangenheit das Umschwenken auf
eine linuxbasierte Produktlinie eingeleitet. HP und Sun ließen mit ähnlichen
Strategien nicht lange auf sich warten.
Einer Marktanalyse bzgl. des Stellenwertes von OSS für IT-Entscheidungsträger
zufolge, die vom not-for-profit orientierten OpenForum Europe in Auftrag
gegeben wurde, liegt der OSS-Vorteil für 2/3 der Befragten in der Kostenreduktion;
86% beabsichtigen OSS in naher Zukunft im infrastrukturellen IT-Bereich
einzusetzen.
OSS-Angebot am Goodie Domain Service (GDS)
GDS als aktiver Distributor von OSS bedient die lokale, aber auch die österreichweite
akademische und schulische Gemeinschaft, den öffentlichen und non-for-profit
Sektor. Das gegenwärtige Angebot an OSS-Komponenten und -Systemen innerhalb
des Goodie Domain Service umfasst 1TB. Dazu gehören u.a. fast alle Linux-Distributionen
mit ihren spezifischen Schwerpunkten sowie u.a. der komplete Spiegel von
"Sourceforge", der derzeit größten und umfangreichsten Projektsammlung
von OSS am Internet.
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