TUNET Backbone & Gigabit

Johann Kainrath

Neben der ATM-Technologie, die sich nicht so schnell aus dem TUNET verabschieden wird, hält Gigabit Ethernet Einzug, eine Technologie, die neben 1000 MBit/s Bandbreite auch Stabilität und Flexibilität für das High-Speed Backbone der TU Wien verspricht.

Backbone an der TU Wien

Die bereits 1996 begonnene Umstrukturierung des Backbone auf ein ATM-Netz konnte im Jahr 1999 weitgehend abgeschlossen werden. Die Infrastruktur für die Datenkommunikation zur Verbindung der Gebäudekomplexe am Campusbereich basierte damit zu diesem Zeitpunkt fast ausschließlich auf Asynchronous Transfer Mode (ATM) über Glasfaserkabeln. ATM bot neben anderen Vorteilen wie Skalierbarkeit auch im Bereich Sprachdienste in einem Netzwerk Möglichkeiten zur Realisierung. Durch die Flexibilität von ATM war die Integration des neuen über die TU-Standorte verteilten und redundant aufgebauten Telekommunikationssystems in das TUNET-Daten-Backbone möglich.

Mit der gewählten ATM Implementierung stand und steht allen Benutzern der TU Wien mittels TUNET eine moderne und leistungsstarke Infrastruktur zur Verfügung, die sich auf stabile Art und Weise bereits bewährt hat.

Hauptanforderungen an das Backbone, nämlich ausreichend Bandbreite zur Übertragung von Daten und Sprache auf sämtlichen Verbindungen sowie Redundanz in höchstem Maße, sind garantiert, erfordern jedoch einen stetig vorangetriebenen Ausbauprozess.

Kernstück bisheriger Planungen war nach wie vor die Verbindung der zentralen Gebäudekomplexe Freihaus, Karlsplatz und Gußhaus mit ausreichender Kapazität, nämlich 622 MBit/s. 1999 wurde in dieses Dreieck der vierte Eckpfeiler, nämlich der Gebäudekomplex Favoritenstraße integriert. Damit verfügte die TU Wien über genug Bandbreite am Campusbereich, in Summe also über 7 OC12 (622 MBit/s) Verbindungen zwischen oben erwähnten Standorten.

Bisher gelang es durch geeignete Infrastruktur-Anpassungen immer, diesen steigenden Bedarf der Datenkommunikation sowohl im Backbone als auch bei der Anbindung im Institutsbereich zu befriedigen. Die Bandbreite auf einem ATM Link im TUNET beträgt jedoch maximal 622 MBit/s (entspricht OC12). Gigabit Ethernet bietet hier von Beginn weg höhere Bandbreiten, außerdem ist eine mögliche Skalierbarkeit durch so genannte Gigabit Ethernet Channels gegeben.

1999 erstmals Gigabit

Als neue Technologie wurde daher bereits 1999 erstmals Gigabit Ethernet bei Uplinks vom Backbone zum Distribution/Access-Bereich ins Spiel gebracht. Im Freihaus und in der Favoritenstraße wurden erste sehr positive Erfahrungen gesammelt. Bereits damals wurde daran gedacht, die zur Datenkommunikation eingesetzte Technologie (ATM LAN Emulation = Emulieren eines Ethernet LANs auf ATM Zellen Technologie) zu Gunsten von Gigabit Ethernet zu reduzieren. In diese Richtung gingen und gehen auch die Entwicklungen und Trends am Netzwerksektor.

Gigabit Ethernet (GE) - Die Technologie

100 MBit/s oder Fast Ethernet reichte vielen bereits bei seiner Einführung nicht aus, somit wurde im Juni 1998 eine neue höhere Bandbreitentechnologie auf die Industrie losgelassen. Gigabit Ethernet (IEEE 802.3z) spezifiziert Datenübertragung im Bereich 1000 MBit/s, also wieder eine zehnfache Steigerung der Bandbreite. Wozu ist diese erneute Steigerung eigentlich notwendig ? Manchmal scheint es schon schwierig zu sein, eine 100 MBit/s Full Duplex Verbindung voll auszulasten. Was also mit 1000 MBit/s tun ? Befürworter der Gigabit Ethernet-Technologie sehen Haupteinsatzgebiete einerseits im Backbone-Bereich (Verbindungen zwischen Gebäuden bzw. als Uplink im Gebäude) als auch im Bereich Anschluss von High Speed Fileservern. Es ist nicht zu erwarten, dass normale Netzwerkclients (PCs, Workstations) demnächst flächendeckend direkt via Gigabit Ethernet angeschlossen werden. Diverse Studien belegen, dass bei Workstations in der "Pentium PC Klasse", in denen ein Gigabit Ethernet Interface eingebaut wird, die (Netzwerk-) Performance eher sinkt und die CPU bei hohem Netzverkehr überlastet ist (eine erreichte Datenrate von 400 MBit/s scheint hier zum heutigen Zeitpunkt realistisch zu sein). Hier werden wohl auch Netzwerk- Karten Abhilfe bringen, die den TCP/IP-Stack bereits onboard implementiert haben. Andererseits können UNIX Hochleistungsworkstations durchaus von einer Gigabit Ethernet Pipe zum Netzwerk profitieren.

GE Backbone

Gigabit Ethernet Backbone Architektur
 

Die Gigabit Ethernet Spezifikation mixt Eigenschaften von 802.3 Ethernet und Fiber Channel (eine Gigabit Technologie als LAN-Ersatz zum direkten High Speed Zusammenschluss zwischen Fileservern). Die beiden untersten Ebenen der Fiber Channel Architektur werden mit den Ethernet 802.3 MAC und LLC Layers zum Gigabit Ethernet Standard formiert. Wie Fast Ethernet (100 MBit/s) unterstützt Gigabit Ethernet ebenfalls sowohl Half Duplex als auch Full Duplex Modi. Der Full Duplex Modus bedeutet somit eine Kapazität von 2 GBit/s auf einem Link.

Die 802.3z Gigabit Ethernet Spezifikationen definieren für unterschiedliche Typen von Medien (Glas, Kupfer) verschiedene Distanzen, die in nachfolgender Tabelle zusammengefasst sind.

Standard Kabelkategorie Kabellänge
(geswitcht)
[Minimum: 2 Meter]
1000BaseCX Kupfer, Twisted Pair
geschirmt (150 Ohm)
bis 25 Meter
1000BaseT Kupfer, Kategorie 5 UTP (ungeschirmt 4 Paare) bis 100 Meter
1000BaseSX Glas, Multimode (50µm,62,5µm; 850nm) 220 bis 550 Meter
1000BaseLX Glas, Multimode,
Singlemode, (1300nm)
bis 550 Meter
bis 5 Kilometer
1000BaseLH Glas, Singlemode (9µm,10µm) bis 10 Kilometer
1000BaseZX Glas, Singlemode
(9µm,10µm)
bis 90 Kilometer

Um beim Einsatz von Gigabit Verbindungen flexibel zu sein, sind die Gigabit Ethernet Einschübe in den Switches meistens nicht fix konfiguriert, sondern erlauben den Einsatz von so genannten GBICs. Diese Gigabit Ethernet Interface Converter werden einfach in das betreffende Gigabit Ethernet Device eingesteckt und erlauben somit je nach Bedarf den Einsatz des richtigen Connectors (1000BaseSX, LX). Diese Variante ist zudem noch kostengünstig.

Gigabit Switch

Cisco 4912G - 12Port Gigabit Switch
 

Gigabit & ATM TUNET 2000

Zunächst waren im Zuge des Telekommunikationsprojektes die Umbauten im ATM Backbone nach wie vor nicht abgeschlossen. Das an der TU Wien eingesetzte und über alle Standorte verteilte Ericsson Telekommunikationssystem MD110 setzt ein synchron laufendes ATM Netz mit all seinen Knoten voraus. Durch die schrittweise installierten neuen ATM Module konnte die erforderliche Genauigkeit (Präzision) schließlich erfüllt werden.

Alle Wartungen bzw. Erweiterungen standen im Zeichen, die hohe Verfügbarkeit des TUNET aufrecht zu erhalten. In einem so großen ATM LAN Emulation Netz wie dem an der TU Wien implementierten (übrigens eines der größten in Österreich neben anderen wie etwa bei Steyr Fahrzeugtechnik) ist dies freilich mit hohem Managementaufwand bei Konfigurationsänderungen verbunden.

Im Hintergrund der Umbauten zeichnete sich bereits seit einiger Zeit Gigabit Ethernet als neue Backbone-Technologie in der IT-Branche ab, die wesentlich billigere Technik (nämlich pures Ethernet) als die Overlay-Technik von ATM (Ethernet LAN Emulation über ATM) verwendet. Diese Technik verspricht eine kostengünstige Investition in Bandbreite (billigere Geräte, einfachere Technologie - kommt aus der bekannten und bewährten 10Base und 100Base Ethernet Entwicklungsschiene). Zudem bietet diese Technologie den Vorteil, einerseits im Backbone als auch im Distribution- bzw. Access-Bereich eingesetzt werden zu können. Weniger Komplexität bei der Konfiguration und damit weniger Fehleranfälligkeit schlagen sich in weniger Aufwand beim Troubleshooting nieder.

Implementierung von Gigabit im TUNET

Gigabit Ethernet Technologie soll einerseits im TUNET Backbone zur Verbindung der Gebäudekomplexe eingesetzt werden. Andererseits sollen Etagenverteiler im Gebäude optional (wenn die Notwendigkeit und Möglichkeit von der Infrastruktur her gegeben ist) redundant an zwei Backbone Switche mit Gigabit Ethernet Uplinks angebunden werden, um Ausfallssicherheit zu garantieren.

Die Gebäude selbst sollen auf alle Fälle redundant an die Core Switche angebunden werden, um hier größtmögliche Ausfallssicherheit zu bieten. Vor allem aber sollen dadurch geplante Eingriffe in das Backbone Netz im Rahmen der Netzwartung unproblematisch erfolgen können. Aus Sicht der Benutzer sollen dann Störungen durch Wartungsarbeiten weitgehend vermieden werden.

Im größten Vernetzungsprojekt im Jahr 1999, der Inbetriebnahme des neuen Gebäudes in der Favoritenstraße, wurden mit diesen beiden Varianten bereits erste Gehversuche unternommen. Allerdings sind die Etagenverteiler im gesamten Gebäudekomplex nicht in redundanter Weise angebunden. Die Erfahrungen waren trotzdem äußerst positiv, somit konnte der nächste Schritt in Richtung Gigabit Ethernet im gesamten Backbone getan werden.

Aufgrund der aktuellen ATM Backbone Struktur und der eingesetzten Switch-Modelle bot sich als Übergangslösung die Implementierung eines Gigabit Ethernet Ringes parallel zum ATM Netz an. Durch die Beschaffung weiterer Einschübe für die freien Steckplätze in den Backbone Switches und der Verwendung freier Glasfaser Infrastruktur konnte die Implementierung relativ rasch erfolgen und erste Erfahrungen konnten gesammelt werden. Die Ringtopologie ist jedoch nicht die Struktur, die einen optimalen Einsatz der Gigabit Ethernet Technologie garantiert.

Erste Besprechungen zum Thema Gigabit Ethernet im TUNET Backbone fanden im Juni 2000 statt. Nach Klarheit über die ersten Schritte der Implementierung erfolgten im November 2000 letzte Teillieferungen von Modulen. Nach einem nochmaligen Feinschliff des Konzeptes wurde von uns mit dem Einbau der Gigabit Ethernet Komponenten noch im November 2000 begonnen. Schließlich erfolgte die "Inbetriebnahme" von Gigabit Ethernet im TUNET Backbone im Dezember 2000. Leider funktionierte die in Zusammenarbeit mit dem Lieferanten ausgearbeitete Lösung nicht in gewünschter Weise und führte zu mehreren längeren Ausfällen des TUNET Backbones im Zeitraum Dezember 2000 bis Jänner 2001. Erst durch ein Abweichen vom ursprünglichen Implementierungskonzept und daraus resultierende Umkonfigurationen (nur je ein Übergang zwischen ATM LAN Emulation und Gigabit Ethernet für das betroffene Backbone LAN) gelang es, die Instabilitäten in den Griff zu bekommen und den gewohnten Servicelevel wieder herzustellen.

Gigabit im TUNET

Implementierungsvarianten von Gigabit im TUNET Backbone und Distribution/Access-Bereich
 

Gigabit im TUNET 2001

Von der bis jetzt zwischenzeitlich aus Kostengründen implementierten Ringtopologie soll auf eine Sterntopologie übergegangen werden. Die Realisierung soll noch im Sommer 2001 erfolgen.

Der Core Bereich (innerster Backbone Bereich) soll vorerst ausschließlich auf Layer 2 des ISO/OSI Sieben-Schichtenmodels realisiert werden. Wie in der Grafik angeführt, sollen die wichtigsten Gebäudekomplexe an die beiden redundant ausgeführten Core Switche angeschlossen werden.

Mit dem Einsatz von Gigabit Ethernet im TUNET Backbone wird auch die Reduktion der bisherigen Protokollvielfalt umgesetzt. Bisher konnte neben dem Hauptprotokoll TCP/IP je nach Standort auch eine teilweise Ausfallssicherheit anderer Protokolle wie Novell (IPX/SPX), AppleTalk und Decnet Phase IV implementiert werden. Die Redundanz im Gigabit Ethernet bedeutet IP-Only. Die vorgesehenen Geräte auf diesem Gebiet sind kombinierte Switch(Layer 2)/Router(Layer3) in einer fixen (nicht modularen) Konfiguration. Dies schlägt sich in deutlich niedrigeren Anschaffungskosten nieder. Redundanz für die anderen erwähnten Protokolle im Gigabit Bereich implementieren zu wollen, würde die Anschaffung hochmodularer und extrem teurer Geräte (im Millionen Schilling Bereich) bedeuten und wäre nicht vertretbar.

Plan 2001

TUNET Gigabit Backbone, Plan 2001
 

Hardware-Ausstattung des Backbones

Derzeit umfasst das Backbone 17 Core Switche, das sind 11 kombinierte ATM/Ethernet Switche (Cisco Catalyst 5500) sowie 5 reine ATM Switche (Cisco LS1010).  2 ATM Routeserver (Cisco 7507) sowie 5 Routeswitch-Module und einige kleinere Router erledigen das Routing der Datenpakete über das Backbone. Insgesamt verbinden derzeit sieben Gigabit Ethernet Verbindungen (Trunks) ausgewählte Backbone Switche untereinander.

Backbone & Telekommunikation

Die in den zentralen Bereichen Freihaus, Karlsplatz, Gußhaus und Favoritenstraße sowie an den Standorten Treitlstraße, Resselgasse, Karlsgasse und Argentinierstraße installierten ATM- bzw. kombinierten ATM-Ethernet-Switche ermöglichen die Integration von Daten und Sprache an der TU Wien. Immerhin beansprucht die Telekommunikation permanent ca. 70 MBit/s auf den einzelnen Backbone-Verbindungen. Das entspricht den 35 CES Verbindungen (CES = Circuit Emulation Service über ATM entspricht 2 MBit/s CBR Constant Bitrate Traffic), die quer durch das ATM Backbone gespannt sind.

Da zurzeit VOIP (Voice over IP = Telefonie über IP) an der TU Wien kein Thema ist und Gigabit Ethernet sonst keine Möglichkeit zur Integration von Sprache bietet, wird die ATM Technologie nicht so schnell aus dem TUNET verschwinden.

Backbone & Internet-Anbindung

Die geplante Gigabit Ethernet Topologie unterstützt in hohem Ausmaß die Möglichkeit, die redundante Internet-Anbindung der TU Wien über zwei unabhängige Serviceprovider wie bisher zu implementieren. Weiters ist sie geeignet, die Firewall für die TU Wien optimal zu integrieren.

Backbone & externe Standorte

Die ATM-Technologie wird auch dazu eingesetzt, um sowohl Daten- als auch Telefonverbindungen zu abgesetzten Standorten zu realisieren. Die bereits im Jahre 1999 realisierten 2 MBit/s ATM-Strecken zu Theresianumgasse, Aspanggründe und Atominstitut zeichnen sich durch hervorragende Stabilität aus. Die Kapazität der Anbindung reichte zwar im Jahr 2000 für alle Standorte aus, dennoch wird an eine Migration auf die Ethernet Technologie gedacht. Voraussetzung ist jedoch, entsprechende Glasfaserstrecken zu diesen Standorten zu errichten - eine nicht ganz billige Angelegenheit (dieses Problem besteht derzeit auch für den Standort Getreidemarkt).

Konklusion

ATM wird im TUNET erhalten bleiben. In der Telekommunikation führt kein Weg daran vorbei, aber auch in der Datenkommunikation ist ATM zur Realisierung externer Verbindungen nicht wegzudenken. Die Zukunft wird jedoch mit Sicherheit verstärkt Gigabit Ethernet bringen. Am Horizont schimmert aber schon der - wegen der eingesetzten Wellenlänge nicht sichtbare - 10 Gigabit Ethernet Lichtstrahl, siehe http://www.10gea.org/.


Zum Inhaltsverzeichnis, ZIDline 5, Juni 2001