Das Programm ERDAS IMAGINE
angewandt zur Erfassung der Schneedecke aus Fernerkundungsaufnahmen

Josef Jansa
Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung
jj@ipf.tuwien.ac.at

Einleitung

Im Rahmen eines Pilotprojektes, das von den Wiener Wasserwerken angeregt wurde und für welches diese und das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur Förderungsmittel zur Verfügung stellten, sollte das Schneeschmelzverhalten im Bereich der Quellen der Ersten Wiener Hochquellenwasserleitung erfasst werden. Dieses Projekt konzentrierte sich auf das Gebiet der Schneealpe südwestlich der Rax [1].

Als Daten für die Schneeschmelzmodellierung, die vom Institut für Hydraulik, Gewässerkunde und Wasserwirtschaft durchgeführt wurde, dienten

Der erste und letzte Punkt wurden vom Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung ausgeführt. Für die Satellitenbildinterpretation gelangte das Programmpaket ERDAS IMAGINE zum Einsatz, über welches in der Folge etwas detaillierter berichtet werden soll.

ERDAS IMAGINE

Die Firma ERDAS ist im Bereich der Fernerkundung zu einem der weltweit führenden Anbieter von Auswerte- und Interpretationssoftware geworden. Das derzeitige Produkt heißt ERDAS IMAGINE, läuft auf verschiedenen windows-orientierten Plattformen und ist an der TU Wien unter UNIX X-Motif beim ZID installiert. Noch läuft die Version 8.3, die Nachfolgeversion 8.4 ist bereits ausgeliefert. Für all jene, die viel im GIS-Bereich (Geo-Informationssysteme) tätig sind, liegt ein besonderer Vorteil dieses Produktes in der seit langem recht engen Verknüpfung der Software mit dem GIS-Paket ARCInfo bzw. ARCView von ESRI, womit eine einfache gemeinsame Verwendung der beiden Softwareprodukte im Rahmen einer Projektbearbeitung gewährleistet wird.

ERDAS IMAGINE ist in Module gegliedert, die wiederum als Pakete angeboten werden: IMAGINE Essentials, IMAGINE Advantage und IMAGINE Professional. Letzteres ist an der TU Wien installiert. Darüber hinausgehende Module sind z. B. das Vector Module, Virtual GIS Module oder Developers' Toolkit, wovon nur letzteres hier installiert ist. Näheres über die gesamte Produktlinie kann man bei http://www.erdas.com/ erfahren [2].

Abb. 1 zeigt die Befehlsleiste, die das zentrale Steuerungselement des Programmes bildet, und die bereits einen recht guten, wenn auch nur groben Überblick über die Möglichkeiten des Programmes bietet.

Abb. 1

Abb. 1: Zentrale Befehlsleiste von ERDAS IMAGINE

Der Viewer ist ein Fenster zur Darstellung, aber auch Bearbeitung von Bildern. Mit Import wird das Modul für den Daten-Import/Export aufgerufen. IMAGINE verwendet eigene Datenformate für Bild- und Liniengraphik, es stehen aber eine große Anzahl von Konvertierungsmöglichkeiten zur Verfügung. Mit dem Namen Composer ist jenes Modul gemeint, das die so genannte Kartenblattgestaltung ermöglicht, also z. B. die Aufbereitung der Analyseergebnisse für graphische Ausgabe auf einem Plotter. Die wichtigsten Programme für Fernerkundungsauswertungen befinden sich in der Kategorie Interpreter und Classifier. Von großem praktischen Nutzen ist der Modeler, mit welchem man auf graphische Weise durch Platzieren und Verbinden von Symbolen auf einer Zeichenfläche mit der Maus Makros erstellen kann.

Abb. 2a   Abb. 2b

Abb. 2: Module Interpreter und Classifier

Abb. 2 zeigt einen Überblick über die Programm-Kategorien im Interpreter und Classifier. Als Beispiele seien genannt: Kontrast- und Helligkeitsmanipulation, Filterung im Orts- und Frequenzbereich, multispektrale Klassifizierung.

Abb. 3

Abb. 3: Makro, erstellt im Modeler

Abb. 3 zeigt ein einfaches Beispiel einer Modeler-Anwendung, wo aus vier Eingabe-Bildern (links) über eine Funktion (Kreis), die als Input eine Matrix (oben) für Filterzwecke benötigt, ein neues Bild (rechts) berechnet wird. Die genauen Werte bzw. Formeln für die jeweiligen Elemente werden nach Doppelklick auf die Symbole über die Tastatur eingegeben. Es gibt bereits eine große Anzahl von fertigen Funktionen zur Auswahl.

Beispiel einer Klassifizierung

In der Folge sollen einige weitere Funktionalitäten des Programmes anhand einer Schneeklassifizierung aus Satellitenbildern erklärt werden.

Das Ausgangsmaterial für die Bestimmung der Schneelage bildeten Aufnahmen des französischen Satelliten SPOT, der in etwa 800 km Höhe die Erde umkreist und Bilder mit einer Bodenauflösung von 20 m x 20 m in drei (bzw. vier) Spektralbereichen liefert. Abb. 4 zeigt in einem IMAGINE Viewer ein derartiges Bild.

Abb. 4

Abb. 4: SPOT Aufnahme der Schneealpe vom 18. 2. 1998 (© SPOT Image, Frankreich)

Man kann hier bereits zum Teil die Problematik der Schneeklassifizierung erkennen: (1) es gibt starke Eigen- und Schlagschatten aufgrund des niedrigen Sonnenstandes von knapp 30°; (2) es gibt Bereiche, die offensichtlich eine geschlossene Schneedecke aufweisen (z. B. auf dem Hochplateau der Schneealpe) und andere, die lückig bedeckt oder nur geringfügig beschneit sind (z. B. Bereich am linken Bildrand oder an den nach Süden schauenden Hängen am oberen Bildrand). Was hier nicht unmittelbar zu erkennen ist, sind jene Gebiete, in denen der Schnee den Aufnahmesensor "überbelichtet". Die Klassifizierung hat daher nicht das einfache Problem "weiß"von "nicht weiß"zu unterscheiden, sondern muss sich auf die spektralen Eigenschaften des Schnees konzentrieren, die unabhängig von dem Grad der Beleuchtung sind und womöglich auch noch unabhängig von der Art des durchscheinenden Untergrunds im Falle geringer Schneedeckung. Man kann den Klassifizierungsansatz auf einer komplexen Modellierung der Beleuchtungsgegebenheiten aufbauen, man kann aber auch vereinfacht vorgehen und trotzdem gute Ergebnisse erhalten, was im Folgenden beschrieben werden soll.

Über ein digitales Geländemodell errechnet man sich für den Zeitpunkt der Satellitenaufnahme, wie die Schatteneffekte aussehen sollten, handelte es sich um so genannte Lambert'sche Oberflächen. Mit Hilfe des Modelers und einem digitalen Geländemodell  (DTM)  kann man dies erreichen (Abb. 5). In der Folge wird das Satellitenbild in Beleuchtungszonen segmentiert, welche jede für sich einer multispektralen Klassifizierung [3] unterworfen werden. Als Klassifizierungsverfahren wurde das in IMAGINE implementierte Verfahren ISODATA (Iterative Self-Organizing Data Analysis Technique) verwendet, welches eine selbständige Segmentierung des Bildes durchführt, die auf der spektralen Ähnlichkeit der Pixel basiert. Der Benutzer muss im Anschluss daran durch visuelle Interpretation die vom Programm gelieferten, nicht näher benannten Objektklassen mit Klassennamen versehen (z. B. "volle Schneedeckung", "lückige Schneedeckung", "kein Schnee", ...). Das Endergebnis wird erreicht, indem man die Einzelergebnisse der Beleuchtungszonen zu einem Gesamtergebnis (Abb. 6) zusammenführt. Dazu könnte man das in Abb. 3 gezeigte Makro verwenden.

Abb. 5Abb. 6
Abb. 5: Beleuchtung des DTMs Abb. 6: Klassifiziertes Endergebnis - Die Schneebedeckung der Schneealpe

Was leistet ERDAS IMAGINE?

Weitere Möglichkeiten

Es wurde versucht, anhand eines konkreten Projektes in das Fernerkundungspaket ERDAS IMAGINE einzuführen. Natürlich ist das Feld der Anwendungen vielfältig (siehe auch http://www.erdas.com/before/casestudies/ index.html). Die folgende Liste, in der beispielhaft weitere Möglichkeiten aufgezeigt sind, kann daher nur lückenhaft sein.

Landnutzungs-/Bodenbedeckung

* Großräumige Klassifizierung der Bodenbedeckung zum Zwecke der Detailplanung im Mobilfunkbereich

* Feststellung der Waldfläche, getrennt nach Laub-, Nadel- und Mischwald

Satellitenbildkarten

* Geometrische Rektifizierung der originalen Satellitenbilder auf ein kartographisches Referenzsystem

* Zusammenstellung multi- und hyperspektraler Datensätze zu einem aussagekräftigen Farbbild

* Bildverbesserung durch Filterung, wie etwa Entfernung von Bildrauschen oder Erhöhung der Bildschärfe

Analyse in Verbindung mit GIS-Daten

* Kontrolle und Statistik der landwirtschaftlichen Nutzung in geförderten Bereichen

* Erfassung der Zunahme der Siedlungsflächen

* Veränderungsfeststellung der Bodenbedeckung bzw. -nutzung (Change Detection of Landcover or Landuse)

Abschließende Bemerkung

ERDAS IMAGINE ist ein leistungsfähiges Paket für die Bildverarbeitungsaufgaben der Fernerkundung. State-of-the-Art-Verfahren sind in großer Anzahl vorhanden. Darüber hinaus gibt es noch die Möglichkeit, über ein sehr bequem verwendbares Makro-Tool komplexe Abläufe zu programmieren. In der Makro-Bibliothek sind außerdem eine Reihe von Funktionen vorhanden, die über andere Module nicht aufrufbar sind. Im obiger Beschreibung nicht erwähnt wurde, dass auch grundlegende Funktionen vorhanden sind, die ein geometrisches Resampling der Bilder in die Geometrie von kartographischen Referenzsystemen ermöglichen. Mit dem Developers' Toolkit kann man selbst entwickelte C-Programme in die IMAGINE Umgebung einbinden, allerdings muss man leider die schlechte Dokumentation dieses Moduls hier erwähnen, wodurch die Handhabung zu einem schwer lösbaren Problem wird.

Das Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung verwendet die ERDAS-Programme nun schon seit über 10 Jahren in Forschung und Lehre. Obwohl in der Zwischenzeit mehrere Alternativen auf dem Markt sind, stellt IMAGINE (auch trotz des relativ hohen Preises) nach wie vor ein wichtiges Produkt dar, weil es, erstens, vielleicht auch auf Grund der langen Erfahrung der Fa. ERDAS, mit seinem reichhaltigen Funktionsumfang und seiner Ausrichtung auf große Datenmengen ein hoch geschätztes Werkzeug in der Fernerkundung darstellt, und weil es, zweitens, wegen seiner großen Verbreitung in der Praxis auch als Lehrmittel für die Studierenden von großem Wert ist. Nicht vergessen werden soll, dass Fern-erkundung und GIS in vielen Bereichen stark miteinander verknüpft sind, sei es, dass die Fernerkundung Daten für Geo-Informationssysteme liefert, oder sei es, dass sich die Auswertung in der Fernerkundung auf Informationen aus Geo-Informationssystemen stützt. Durch die vieljährige Zusammenarbeit der Firmen ERDAS und ESRI sind die Produkte IMAGINE und ARCInfo gut miteinander verknüpfbar, was im Wissensbereich, den das Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung abdeckt, von unschätzbarem Wert ist. Die Installation des IMAGINE Paketes auf den UNIX-Servern des ZID hat sich sehr bewährt. Wie die Zukunft genau aussehen wird, hängt aber nicht unwesentlich von den Firmenstrategien ab, die vermehrt auf Microsoft Windows_xx zu setzen scheinen und die UNIX-Workstation-Linie stark in den Hintergrund stellen oder vielleicht sogar auflassen werden. Selbst dann sollte die zentrale Verwaltung der Lizenzen durch den ZID weiterhin erhalten bleiben, da nur so Universitätsvorteile genutzt werden können.

Referenzen

[1]    Jansa J., Kraus K., Blöschl G., Kirnbauer R., Kuschnig G. (2000): Modelling Snow Melt Processes in Alpine Areas. International Archives of Photogrammetry and Remote Sensing, Vol XXXIII, Part B-???, Amsterdam, 6 pages (im Druck, erscheint wahrscheinlich nur auf CD-ROM)

[2]    http://www.erdas.com/. Home Page der Fa. ERDAS in den USA. In Österreich wird ERDAS (und ESRI) durch die Fa. Synergis vertreten: http://www.synergis.co.at/ (2000)

[3]    Kraus K. (1990): Fernerkundung, Band 2. Auswertung photographischer und digitaler Bilder, mit Beiträgen von J. Jansa und W. Schneider, Dümmler/Bonn, ISBN  3-427-78671-4


Zum Inhaltsverzeichnis, ZIDline 4, Dezember 2000