Das Telekom-Projekt an der TU Wien
Ein Resümee

Wolfgang Kleinert

Der Zeitpunkt ist gekommen, um ein Resümee über das Telekom-Projekt an der TU Wien zu ziehen. Die Abnahmen sind zwar leider noch nicht abgeschlossen, ein Ende zeichnet sich aber ab. Voraussichtlich kann im Juli nach der Fertigstellung der vertraglich vorgesehene 10-wöchige Probebetrieb beginnen. Dann wird das Projekt bereits 18 Monate Überzeit haben. Bei einem ursprünglich geplanten Realisierungszeitraum von insgesamt sechs Monaten (als Termin für die Fertigstellung war der 18. Dezember 1998 vorgesehen) ist eine Verzögerung auf das Vierfache an sich schon Anlass genug, um den gesamten Projektverlauf kritisch darzustellen.

Bemerkenswert war die Diskrepanz zwischen den in der Ausschreibung definierten Anforderungen und den Lösungskompetenzen der beiden Großkonzerne Post & Telekom Austria (PTA) als Generalunternehmer und Ericsson Austria als Lieferant. Eine solche Diskrepanz war für den ZID der TU Wien zum Zeitpunkt der Übernahme der Betriebsverantwortung für das neue Telekommunikationssystem im Februar 1998 nicht absehbar und war auch bei größeren Projekten im Bereich der Datenkommunikation an der TU Wien bisher noch nicht aufgetreten.

Heute zeichnen sich als Ursachen organisatorische und technische Probleme ab, die in gewisser Weise eng aufeinander einwirkten und vom Management der Auftragnehmer aber auch von der beauftragenden Stelle (der Wirtschaftsabteilung der Universitätsdirektion der TU Wien, die für die Durchführung der Ausschreibung einen Planer beauftragt hat, unter Mitwirkung des BMWV und des EDV-Zentrums bei Teilaspekten) nicht oder viel zu spät erkannt wurden.

Es begann damit, dass die Ausschreibung die Realisierung eines technischen Konzepts einforderte, das in einigen wesentlichen Punkten an die Grenzen des von der Telekommunikations-Branche Machbaren ging. Die Kombination von Desaster-toleranten Teilzentralen, die an einem ATM-Backbone gemeinsam mit der Datenkommunikation eines großen universitären Netzes betrieben werden, mit einem flächendeckenden DECT-System und einem chipkartenbasierten Verrechnungssystem, bei dem alle Gesprächsgebühren unter extensiver Verwendung von Least-Cost-Routing an die Endbenutzer direkt verrechnet werden (noch dazu mit der weiter gehenden Anforderung, dass mit einer Chipkarte sowohl Dienst- als auch Privat- und Projektgespräche durchgeführt und abgerechnet werden können), stellte in dieser Form eine echte Herausforderung dar. Trotzdem oder gerade deshalb war die Ausschreibung der Technischen Universität Wien für einige Anbieter ein besonderer Anreiz, zu zeigen, wozu die Telekommunikationsindustrie bereits imstande ist. Der in der Ausschreibung vorgesehene Probe-betrieb vor dem Zuschlag, bei dem der voraussichtliche Bestbieter sein Können unter Beweis zu stellen hatte, war im Nachhinein betrachtet viel zu kurz bemessen (Mitte Mai bis Mitte Juni 1998), um alle komplexen Zusammenhänge ausführlich überprüfen und darstellen zu können.

Als Bestbieter wurde Ende Juni 1998 die PTA ermittelt, die ein System von Ericsson angeboten hatte. Der Schlussbrief ist mit 8. Juli 1998 datiert. Ericsson hatte bereits ein Jahr vorher (1997) den Zuschlag für das neue Telefonsystem der Universität Wien bekommen und die PTA wollte dem Projekt mit zwei wesentlichen Aktivposten zum durchschlagenden Erfolg verhelfen: einem professionellen Projektmanagement und, als alternative zum DECT-System, dem Einsatz eines VPN (Virtual Privat Network), d. h. im Wesentlichen eines besonderen Gebührenschemas für normale GSM-Handys, die im Bereich der TU Wien durch eigene Mikrozellen vernetzt sein sollten. Leider kamen beide "Goodies" nicht zum Tragen. Anscheinend fürchtete damals Ericsson, den vorgegebenen, überaus engen Zeitrahmen mit dem Korsett eines noch dazu in der Praxis bisher nicht erprobten und daher auch nicht eingespielten "Projektmanagements von außen" nicht einhalten zu können (eine Befürchtung, die durch die Realitäten des Projektverlaufes heute nicht mehr nachzuvollziehen ist).

Die Gesprächskosten für VPN-Teilnehmer von und zu den digitalen Apparaten der Nebenstellenanlage waren mit 3 Schilling pro Minute angeboten worden. Unsere Meinung, dass das VPN nur dann eine attraktive alternative zu DECT darstellt, wenn auch beim VPN zwischen dem Mobil- und Festnetz der TU Wien zum Nulltarif telefoniert werden kann (wie bei DECT), konnten wir gegen den Widerstand der PTA-Tochter Mobilkom und der Telekom-Control nicht durchsetzen. Erst heute, wo, nebenbei bemerkt, der frühere Chef der Mobilkom Generaldirektor der Telekom Austria ist und wo Mitbewerber ähnliche Lösungen auf den Markt bringen, zeichnet sich eine Aufweichung der starren Haltung ab. Das war schließlich für die Entscheidung zu Gunsten von DECT ausschlaggebend.

Der enge Zeitrahmen von knapp sechs Monaten für die geplante Realisierung des Projekts war aus heutiger Sicht sicherlich ein sehr naiver Fehler der gesamten Ausschreibung. Im Nachhinein betrachtet war dieser Zeitraum völlig unrealistisch, besonders wenn man berücksichtigt, wie viele Komponenten nicht einfach "von der Stange" zu liefern waren, sondern extra für dieses Projekt entwickelt oder adaptiert werden mussten. Auch die Argumentation mit dem Zeitdruck des Budgetvollzugs (das Ministerium hatte angedeutet, dass die im Rahmen einer Sonderdotation in Aussicht gestellten Mittel nur im Jahr 1998 zur Verfügung stünden) war nicht stichhaltig. Zahlungen können selbstverständlich nur entsprechend den tatsächlich erbrachten Leistungen erfolgen. Zurzeit sind noch einige Millionen Schilling ausständig. Die genaue Endsumme wird erst nach der Endabnahme und den Verhandlungen über die tatsächliche Höhe der angemeldeten Pönaleforderungen und eventueller Schadenersatzforderungen feststehen.

Aus heutiger Sicht - nach Erfahrungen ist man natürlich klüger - hätte die TU bereits in der Planungsphase dieses Großprojektes besser vorgehen können. Es hat sich herausgestellt, dass die Kommunikationsexperten am ZID etwa ein Jahr benötigen, bis alle Möglichkeiten und Einschränkungen eines State-of-the-art Telekommunikationssystems erfasst waren. Der ZID hätte für die Vorbereitung der Ausschreibung etwa ein Jahr Zeit benötigt und zwei halbe Personenjahre dafür aufwenden müssen. Dazu wäre aber auch eine entsprechende personelle Verstärkung im Bereich der Abteilung Kommunikation zur Entlastung der für die Planung notwendigen Spitzenkräfte erforderlich gewesen. Eine Forderung, deren Verwirklichung im Jahr 1997 sicherlich nicht leicht durchzusetzen gewesen wäre. Natürlich hätten wir genauso auf einen unabhängigen Experten als Planer zurückgreifen müssen, aber unter diesen Voraussetzungen hätten wir wahrscheinlich umfassende Vorgaben erarbeiten können. Die hausinterne Arbeitsgruppe unter der Leitung des Universitätsdirektors, der neben Prof. Bonek, Vertretern der Wirtschaftsabteilung, des Dienststellenausschusses und der Bundesbaudirektion auch ich selbst angehört habe, hat regelmäßig Beratungen mit dem Planer durchgeführt, war aber zur selbständigen Formulierung von Planungs-vorgaben nicht wirklich in der Lage und musste sich daher weitgehend auf den Planer verlassen. Die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Einbindung der Kunden, d. h. der Endbenutzer der TU Wien wurde nicht erkannt. Irgendwie bestand die stillschweigende Voraussetzung, dass das neue Telekommunikationssystem einfach besser, schneller und sicherer sein werde und viel mehr Möglichkeiten haben werde als das alte. Aber die eigentlich bereits in der Frühphase des Projekts notwendige Information und ausführliche Diskussion mit den Endbenutzern über die Möglichkeiten, mit der alte, aber bewährte Kommunikationsmuster auf  neue Gegebenheiten übertragen werden könnten, unterblieb. Die so genannten Konfigurationsgespräche konnten erst in den Sommerferien durchgeführt werden. Durch den enormen Zeitdruck mussten die Gespräche mit den Instituten teilweise parallel geführt werden. Es zeigte sich, dass die von der PTA zusätzlich dafür eingesetzten Mitarbeiter nicht den gleichen Kenntnisstand wie der Projektleiter von Ericsson hatten und dass daher diese Gespräche zu einer nur heterogenen Kundenzufriedenheit führten.

Die TU Wien hatte mit Zustimmung des BMWV den Planer beauftragt, der bereits ein Jahr zuvor die Planung der Telekommunikations-Anlage an der Universität Wien für das dortige EDV-Zentrum durchgeführt hatte. Das hatte Vor- und Nachteile. Die Vorteile lagen in seiner konkreten Erfahrung bei der Durchführung einer Telekommunikations-Ausschreibung im universitären Umfeld. Der Nachteil bestand darin, dass der Planer die Ähnlichkeiten zum Projekt der Universität Wien überschätzt und die größere Komplexität des Projekts an der TU Wien, das wesentliche Zusätze und Erweiterungen enthielt, bezüglich des Realisierungsaufwands (besonders unter den äußerst angespannten zeitlichen Rahmenbedingungen) unterschätzt hat.

Was sind nun aus meiner Sicht wichtige Unterschiede zwischen den Projekten an der Universität Wien und an der TU Wien?

An der Universität Wien war das EDV-Zentrum die ausschreibende Stelle, es gab von vornherein ein mehrjähriges Gesamtkonzept. In mehreren Phasen sollten viele, teils sehr unterschiedliche Nebenstellenanlagen auf das einheitliche neue System umgestellt werden. Der Aufbau eines ATM-Backbone erfolgte Zug um Zug mit der Installation des neuen Telekommunikationssystems.

An der TU Wien musste im Wesentlichen eine einzige große, veraltete Telefonanlage an einem Wochenende vor Semesterbeginn (4./5. September 1998) umgestellt werden. Einige wenige kleinere Nebenstellenanlagen sollten bis Ende November 1998 umgestellt werden und nur das neue Institutsgebäude in der Favoritenstraße war ein für den Sommer 1999 geplanter größerer Schlussteil. Entgegen allen anders lautenden Versprechungen der Bundesbaudirektion gab es aber an der TU Wien keine nachvollziehbaren Verkabelungspläne der alten Telefonanlage zu den Endgeräten; dafür jedoch gab es mehrere hundert Fälle, in denen mehr als ein Apparat an dieselbe analoge Nebenstelle angeschlossen war, obwohl dies angeblich nicht vorkommen sollte. Erst mit dem Fortschritt des Projekts wurde das ganze Ausmaß der notwendigen Nachverkabelungen sichtbar. Schließlich gab es an der TU Wien ein bereits weitgehend im Betrieb stehendes ATM-Backbone für die Datenkommunikation, welches mit der Telekommunikations-Infrastruktur verbunden werden musste.

An der Universität Wien wurde zwar auch ein Chipkartensystem implementiert, aber an jedem Institut wurden vorerst nur einige wenige Apparate damit ausge-rüstet, um auch außerhalb der Vermittlungszeiten Ferngespräche führen zu können (Gespräche in der Regionalzone sowie Handy-Nummern gelten an der Universität Wien nicht als Ferngespräche). Für Dienst-, Privat- und Projektgespräche gibt es eigene Chipkarten und wegen der noch immer uneinheitlichen Telefonsysteme ist derzeit auch noch keine Rückverrechnung der Gesprächsentgelte auf die Endbenutzer geplant. Die Kosten werden vorerst zentral getragen und ein statistisches Auswertungsprogramm für die verbrauchten Gesprächsentgelte wurde von einem Mitarbeiter des EDV-Zentrums selbst geschrieben.

Die Anforderungen an das Chipkartensystem der TU Wien waren dagegen folgende: Apparate mit Chipkartenleser sollen flächendeckend eingeführt werden. Die Vermittlung soll prinzipiell für ausgehende Gespräche nicht mehr nötig sein. Mit einer Chipkarte sollen je nach Wunsch die Gesprächsentgelte einem Dienst-, Privat- oder Projektgesprächskonto zugeordnet werden können. An der TU Wien werden mit Senatsbeschluss vom 24. Juni 1998 die Gesprächsentgelte zu 100 % den Instituten bzw. den Endbenutzern rückverrechnet. Der ZID tritt seinen Kunden gegenüber als Provider auf, der deshalb natürlich ein professionelles Billingsystem benötigt, das als kundenspezifische Entwicklung auch ausgeschrieben war.

An der Universität Wien gibt es im Gegensatz zur TU Wien weder ein DECT-System, noch wurde ein Desaster-tolerantes Systemverhalten bei Totalausfall eines von zwei zentralen Standorten (Freihaus und Karlsplatz) eingefordert.

Diese ganz wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Projekten wurden sowohl vom Planer als auch von den ausführenden Firmen bezüglich des zusätzlichen Aufwands grob unterschätzt. Bei Ericsson ging diese Unterschätzung am Anfang sogar so weit, dem Projektleiter für das Projekt an der Universität Wien auch die Projektleitung des Projekts der TU Wien "umzuhängen", obwohl das Projekt der Universität Wien (geplanterweise) noch jahrelang nicht abgeschlossen sein würde. Offensichtlich ging das damalige Management davon aus, dass unser Projekt "nebenher", sozusagen "mit links" bewältigt werden könnte. Die Folgen sind bekannt und wurden oben bereits erwähnt: ein bisher vierfaches Überziehen der geplanten Projektlaufzeit! Natürlich hat auch das Projekt an der Universität Wien gehörig unter dieser "Zweigleisigkeit" gelitten und musste Verzögerungen hinnehmen.

Es ist mir unverständlich, warum trotz des bekannten Zeitdrucks die Auftragnehmer anfangs nicht bereit waren, ein durchschlagkräftiges, nur für unser Projekt zuständiges Projektteam auf die Beine zu stellen. Bei einem so großen Projekt, bei dem so viele Partner und Sub-lieferanten terminlich zu koordinieren sind, ist es einfach unverzichtbar, Vollzeitkräfte ausschließlich für die Planung, Koordination und Kontrolle einzusetzen. Sicherlich waren die organisatorischen Randbedingungen nicht günstig. Ericsson hat während unseres Projektes mit der Ausgliederung ihrer Servicetochter in die ESBC als eigenständige Firma unbekanntes Terrain betreten. Die PTA (mittlerweile Telekom Austria, die ihren Börsegang vorbereitet) befand sich während der gesamten Projektlaufzeit in einem ständigen Umstrukturierungsprozess. Das bedeutete natürlich ständig wechselnde Verantwortlichkeiten und Personen, vor dem Hintergrund harter Sparmaßnahmen. Fehlende oder zu wenig dem Projekt zuge-ordnete Personalressourcen waren bis in allerjüngste Zeit ein begleitendes Merkmal. Natürlich verschlimmern sich solche Probleme, wenn ein Projekt einmal so aus dem zeitlichen Rahmen gelaufen ist. Dazu kam eine starke Unterschätzung des Aufwands für die kundenspezifischen Softwareentwicklungen. Die Personaldecke an entsprechend ausgebildeten Spezialisten ist offensichtlich auch bei vielen großen Unternehmen erschreckend dünn. Daher werden die wenigen Spezialisten in vielen Projekten eingesetzt, was sofort Planungs-, Prioritäts- und Terminfragen aufwirft.

Die bereits erwähnte Unterschätzung des Projektumfangs und das Fehlen eines durchschlagskräftigen, nur für unser Projekt zuständigen Projektmanagements haben zu einer Reihe von vermeidbaren technischen Pannen und Verzögerungen geführt:

Chipkartenzusatz:
Bei den Chipkartenlesern und den Chipkarten kam es zu mehrmonatigen Verzögerungen, die bei einem straff organisierten Projektmanagement sicherlich vermeidbar gewesen wären. Ein Chaos bei der Auftragsvergabe an Subunternehmer (der Projektleiter hatte keine Kompetenz, um beim Lieferanten selbst zu bestellen, die Einkaufsabteilung hatte "verschlafen") führte bereits zu einer ersten Verzögerung um einige Wochen. Dann stellte sich heraus, dass der Subunternehmer, der die Chipkartenleser in die Telefongehäuse einbauen sollte, viel zu geringe Personalkapazitäten zur Verfügung hatte. Schließlich mussten noch zweimal vor Ort bei allen Telefonapparaten die Chipkartenzusätze getauscht werden, weil die Firmware in den Chipkartenlesern nicht den Spezifikationen der Ausschreibung entsprach.

Sprachspeichersystem:
Da im Probebetrieb vor dem Zuschlag Mängel bei dem DOS-basierten Sprachspeichersystem von Ericsson aufgezeigt wurden, haben sich die Auftragnehmer richtigerweise entschlossen, ein neues Produkt der amerikanischen Firma AVT einzusetzen. Dieses wurde verspätet geliefert und führte einige Monate lang immer wieder zu "Hangup’s", d. h. der Sprachspeicher war nicht zu erreichen, obwohl 60 Kanäle zur Verfügung standen, die nicht ausgelastet waren. Es hat sehr lange gedauert, bis die Ursache in der unterschiedlichen Interpretation des Standards eines Verbindungsprotokolls durch AVT und Ericsson lokalisiert war. Es gab kein Eskalations-Management, die Hotline von AVT akzeptierte wochenlang keine Fragen von Ericsson-Technikern, weil sie keine "certified engineers" waren. Für unsere Kunden war die Situation unerträglich, weil die analogen Anrufbeantworter schon im September 1998 ersatzlos abgebaut worden waren und Ericsson von der Option, die Umstellung zuerst mit analogen Nebenstellen durchzuführen (offensichtlich aus Kostengründen), keinen Gebrauch machte. Das Problem konnte erst am Beginn des Jahres 1999 gelöst werden.

ATM-Clocking:
Das gemeinsame ATM-Backbone lief lange Zeit ohne Probleme. Jedenfalls solange bis es Verbindungsprobleme zu Außenstandorten gab. Die konnten nur durch einen zentralen ATM-Clock, der vom ISDN der PTA eingespeist wurde, behoben werden. Kurz nach Ostern 1999 kam es an der TU Wien zu einem Netzwerk-Super-GAU. Die Router spielten verrückt und legten sich mit Fehler-Bursts im Millisekundenbereich gegenseitig lahm. In Zusammenarbeit mit dem EDV-Zentrum der Universität Wien wurde eine Hypothese aufgestellt, die sich bald als richtig herausstellen sollte: die Ursache lag in einer falschen Hardware-Konfiguration der ATM-Switches, die sowohl mit 155 als auch 622 Mbps ATM-Einschüben bestückt waren. Abhilfe war laut CISCO nur mit dem Einbau neuer Hardware, der so genannten Feature-Card PFQ zu erzielen. Leider hat es bis zum Februar 2000 gedauert, bis das neue Management das folgende Problem lösen konnte: Wer löst das Garantie-Problem in der Kette PTA-Ericsson-CISCO Lieferant-CISCO? Kurz nach der Auftragserteilung wurde von Ericsson nach bestem Wissen die damals von CISCO empfohlene Konfiguration bestellt und geliefert. CISCO hat erst später die Spezifikationen geändert. Natürlich ging es um viel Geld (mehrere hunderttausend Schilling), aber warum wurde diese Auseinandersetzung unter Lieferanten auf dem Rücken des Kunden ausgetragen? Jetzt funktioniert das ATM-Clocking jedenfalls einwandfrei.

Billingsystem:
Spätestens nach dem Senatsbeschluss vom 28. Juni 1998 war klar, dass der ZID ab dem 1. 1. 1999 über ein funktionierendes Abrechnungssystem verfügen musste, um die Gesprächsentgelte den Endkunden an den Instituten in Rechnung stellen zu können. Im Juli 1998 gab es ein erstes Gespräch mit dem Programmierer von Ericsson, der sich unsere kundenspezifischen Wünsche anhörte. In jeder der wöchentlichen "Baubesprechungen" hat der ZID die Frage gestellt, warum denn keine Rückfragen kommen. Die Antwort war immer die gleiche: "Es wird am Billingsystem gearbeitet". Erst Ende 1998 hat der Programmierer zugegeben, dass er bisher noch keine Stunde für unser Projekt gearbeitet hat, weil er immer für andere Projekte eingesetzt wurde. Erst Ende 1998 wurde eine kleine externe Firma mit der Programmierung beauftragt. Auch die dort unserem Projekt zugeordneten Personalkapazitäten waren sehr beschränkt. Die Programmentwicklung zog sich in die Länge. Die ersten Statistiken konnten erst im September 1999 ausgeschickt werden, die ersten Rechnungen im November 1999. Immerhin hat das Billingsystem eine wichtige Rolle beim Aufspüren von Fehlprogrammierungen der Anlage, vor allem von Fehlern in der Gesprächsdatenerfassung gespielt. Jetzt scheint es erfreulicherweise abnahmereif zu sein.

Datenabgleich:
Die Ausschreibung forderte einen automatischen Datenabgleich aller Subsysteme innerhalb von 24 Stunden. Zusätzlich sind die Daten des Anlagentelefonbuchs täglich mit den Personaldaten der Zentralen Verwaltung und den Daten aus den White-Pages abzugleichen. Dieser Datenabgleich ist äußerst komplex. Auch der dafür von Ericsson ausersehene Programmierer war nach einem ersten gemeinsamen Gespräch im Juni 1998 "verschwunden" und hat nur sporadisch an unserem Projekt gearbeitet. Die Verzögerungen und Lücken bei der Herausgabe des Personalverzeichnisses 1999 sind leider noch in allzu guter Erinnerung. Erst wiederholtes, energisches Eingreifen des neuen Ericsson-Managements hat es ermöglicht, dass diesem Programmierer im Mai 2000(!) erstmals die Möglichkeit gegeben wurde, sich zweieinhalb Wochen ausschließlich mit unseren Problemen zu befassen. Er hat das Programm teilweise neu geschrieben und jetzt zeichnet sich endlich ein zufriedenstellendes Ergebnis ab.

Es gab auch Probleme und Verzögerungen, die meiner Meinung nach weder vom Management der PTA noch von Ericsson Austria zu beeinflussen waren:

Für das DECT-System war von vornherein klar, dass dafür die Verfügbarkeit der nächsten Betriebssystemrelease BC10 der Telekommunikationsanlage MD 110 erforderlich war. Diese war weltweit für den Sommer 1999 angekündigt. Die einjährige Verzögerung der offiziellen Release (im Februar 1999 wurde eine Betarelease installiert) war sicherlich von Wien aus nicht zu beeinflussen. Es war offensichtlich auch für den Mutterkonzern viel schwieriger als vorhergesehen, die Funktionalität eines verteilten Echtzeitsystems zu erhalten und wesentlich zu erweitern, besonders wenn man den gleichzeitigen Übergang von Assembler- zu C++ Kodierung vollziehen wollte.

Die zuerst gelieferte Version für die Computer-Telefonie-Integration (CTI) war von Ericsson auf eine flache Microsoft Windows-Domäne ausgerichtet und konnte in unserer TCP/IP Umgebung nicht zum Laufen gebracht werden. Erst die nächste Version, der "Personal Screen Server" ist eine Web-Anwendung. Leider konnte sie noch nicht für die Benutzer freigegeben werden, da wir aus Sicherheitsgründen auf einem https-Zugang bestehen müssen. Hoffentlich führt der inzwischen angebahnte direkte Kontakt zu den Entwicklern in Schweden rasch zum Erfolg.

Mehrere Male wurde von uns versucht, gemeinsam mit dem Management der Auftragnehmer das Telekom-Projekt neu zu synchronisieren. Auch unser Rektor hat ein Krisengespräch mit den Generaldirektoren der Telekom Austria und der Ericsson Austria geführt.  Es ist erfreulich, dass es seit Beginn dieses Jahres bei beiden Firmen den klar erkennbaren Willen gibt (und von einem neuen Management auch entsprechende Maßnahmen gesetzt werden), unser Telekom-Projekt trotz aller bereits eingetretenen Verzögerungen positiv abzuschließen und es nun doch noch zu einem "Vorzeigeprojekt" zu machen.


Zum Inhaltsverzeichnis, ZIDline 3, Juni 2000