Goodie Domain Service: lokale Quelle von Open-Source Software
Antonin Sprinzl
"Open-source software is an idea whose time has finally come. For twenty
years it has been building momentum in the technical cultures that built
the Internet and the World Wide Web. Now it's breaking out into the commercial
world, and that's changing all the rules. Are you ready ?"
OpenSource.org
Open-Source Software
Was ist eigentlich Open-Source Software (OSS) ?
Mit OSS wird im Wesentlichen
eine Software bezeichnet (sei es als einzelne Programmkomponente oder auch
ein umfangreiches, aus vielen Komponenten bestehendes Programmsystem),
deren Quellcode
-
jedermann frei zugänglich sein muss und
-
jede Änderung / Ergänzung / Verbesserung des Quellcodes durch Veröffentlichung
wiederum für jedermann einsichtig sein muss.
Die grundlegende Idee der OSS hängt auf's Engste mit der Internetentwicklung
zusammen. Es ist nicht übertrieben, die Behauptung aufzustellen, dass es
eine Internet-Expansion, wie wir sie gegenwärtig beobachten können, ohne
OSS kaum gegeben hätte. Gleichzeitig aber war und ist das Vorhandensein
des Internet die grundlegende Voraussetzung für die Ausbreitung der OSS-Entwicklung.
Begeisterte Programmierer und IT-Fachleute aus disparaten Teilen der Welt
können via Internet ohne Rücksicht auf Zeit-/Raumgrenzen notwendige, für
die Entwicklung geeignete Kommunikations- / Organisations-Infrastrukturen
implementieren, Teile oder Systeme von Software in einer atemberaubenden
Geschwindigkeit lesen, prüfen, korrigieren, testen, modifizieren, ausbessern,
ergänzen, adaptieren, redistributieren.
Wie die Erfahrung zeigt, ist das qualitative Ergebnis einer derartigen
weltweiten, kooperativen Software-Evolution bestechend, und wie sich ferner
abzeichnet, führt dieser Zugang der Software-Erstellung im Vergleich zu
allen traditionellen, geschlossenen Modellen (eine Firma "m" erstellt ein
Software-Produkt "w") zur besseren Software.
Im Zuge dieser Entwicklung entstanden unzählige Software-Systeme und -Komponenten
(Entwicklungs-, Betriebssystem-, Kommunikations-, Server-, Client-, Datenbank-Software
u.v.a.m.), die zum untrennbaren Bestandteil des sich gegenwärtig präsentierten
Internet gehören.
Die gesellschaftliche Relevanz dieser Entwicklung beginnt mitunter allmählich
auch in das Bewusstsein breiterer Bevölkerungsschichten durchzudringen,
wie etwa dem folgenden Ausschnitt der Nachrichtenquelle John Lettice, TheRegister:
"French senators propose making open source compulsory", vom 24. Oktober
1999 zu entnehmen ist:
"French senators Pierre Laffitte and René Trégouët are proposing that national
and local government and administrative systems should only use open source
software. Arguing in favour of their proposed law number 495, they say
ease of communication and free access by citizens to information can only
be achieved if the administration is not dependent on the goodwill of the
publishers of the software. Open systems whose evolution can be guaranteed
via the free availability of source code are needed."
Zielsetzung, Aufgabenspektrum des Goodie Domain Service
Angeregt durch beobachtete Entwicklungstrends zu Beginn der 90er Jahre
wurde am EDV-Zentrum der TU Wien zu Jahresende 1993 ein neuer Service konzipiert.
Seine primäre Zielsetzung sollte es sein, durch die Schaffung eines anwenderfreundlichen
lokalen Repository dem akademischen Bereich einen problemlosen Zugang
zu nützlicher, am Internet befindlicher lizenzgebührenfreier und quellen-offener,
oft benötigter Software sowie sonstiger einschlägiger Informationen zur
Verfügung zu stellen.
Damit war der Goodie Domain Service (GDS) in's Leben gerufen. Der Service
wurde zu Jahresbeginn 1994 mit einer bescheidenen Ressourcen-Ausstattung
(u.a. Platten-Speicherkapazität 10 GB) in Betrieb genommen.
Qualitätsmaximen des Goodie Domain Service
Dem Goodie Domain Service liegen konzeptionelle Prinzipien sowie Qualitätsmaximen
zugrunde, die dem Software-Bezieher folgende Vorteile bieten:
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One-Stop-Bezugsquelle
Wie die Erfahrung zeigt, ändern sich aus verschiedenen
(technischen, organisatorischen) Gründen nicht selten die Referenz-Links
(URLs) auf Sites der Original-Software-Anbieter. Dies ist oft beim Anwender
mit einem nicht vernachlässigbaren Verfolgungs- bzw. Aktualisierungsaufwand
verknüpft. Der Bezug der gleichen Software über GDS erfolgt hingegen transparent.
In so einem Fall kommt der Anwender mit der GDS-Referenz aus. Eine Verfolgung
der Bezugsquelle entfällt.
-
Auswahl
Das Internet-Angebot ist sowohl in qualitativer wie auch quantitativer
Hinsicht überwältigend und unüberschaubar. Bezüglich der qualitativen Beschaffenheit
sowie der spezifischen Eignung vorhandener Software in jeder denkbaren
Kategorie besteht eine beachtliche Spannweite von "ausgezeichnet / robust
/ anwenderfreundlich / geeignet" bis "durchschnittlich / instabil / bedingt
geeignet" (beachte Anführungszeichen). Zu einer wichtigen qualitativen
Zielsetzung des GDS gehört einerseits die Pflege einer Software-Kollektion
für ein möglichst breites Anwendungsspektrum, andererseits aber auch eine
sorgfältige Auswahl qualitativ hochwertiger, stabiler, in Entwicklungspflege
befindlicher Software. Dem GDS-Software-Bezieher entfällt dadurch die oft
mühsame Suche nach geeigneten Software-Komponenten.
-
Angebotsstruktur
Bedingt vor allem durch die Fülle sowie die Verschiedenartigkeit
der angebotenen Objekte, bietet das Internet in der gegenwärtigen Form
bekanntlich keine befriedigende Struktur, die im allgemeinen ein problemloses,
rasches, zielführendes Auffinden interessanter Objekte ohne spezifische
Navigationsvorinformation erlaubt. Um dem GDS-Software-Bezieher eine intuitive,
problemlose Orientierung zu ermöglichen, wird stets auf eine thematische
Strukturierung des GDS-Angebotes besonders geachtet.
-
Bezugsmechanismen
Die am Internet befindliche Software kann über verschiedene,
protokollmäßig bedingte Mechanismen bezogen werden, stark abhängig von
den jeweiligen technischen Ressourcen sowie organisatorischen Gegebenheiten
der betreffenden Software-Anbieter. Im allgemeinen werden aber auf spezifische
Bezugspräferenzen der Software-Bezieher nicht besondere Rücksichten genommen.
Am
GDS wird auf die spezifischen Bezugspräferenzen der Software-Bezieher in
besonderem Maße geachtet. Es werden dementsprechend unterschiedliche Bezugsmechanismen
implementiert und gepflegt, die eine kohärente Sicht des Angebotes bieten
und einen "intuitiven", jeweils präferierten Bezugsmodus ermöglichen. Derzeitiger
GDS-Zugang erfolgt über FTP / HTTP / RSYNC (in Testphase). Darüber hinaus
ist der Zugang zu CVS-Beständen durch geeignete Server in Planung.
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Internet-Infrastrukturentlastung
Der Einsatz eines lokalen Repository bietet
gleich zwei Vorteile. Einerseits schlägt sich für den Bezieher der lokale
Bezug von oft benötigter, nützlicher Software durch eine kurze Download-Zeit
positiv nieder. Andererseits trägt das Vorhandensein eines lokalen Repository
zu einer besseren ökonomischen Nutzung der vorhandenen, in der Regel bandbreitenmäßig
beschränkten Computernetz-Infrastruktur bei. Der für die Aktualisierung
der am GDS gepflegten Angebotsbestände anfallende Aufwand ist vernachlässigbar.
Er beträgt derzeit im Schnitt 120 kB pro Tag.
Angebotsmodus, Angebotsspektrum
alle offerierten Informationen, Software, Dokumentation sowie Hinweise
jeder Art, in Kürze Goodies genannt, werden dem Glauben nach stets von
zuverlässigen Quellen beschafft und zur Verfügung gestellt. Sie sind aber
nicht unbedingt als vollständig zu betrachten und ihre Genauigkeit, Aktualität
sowie spezifische Eignung kann seitens GDS in keiner Weise garantiert werden.
Das GDS-Angebot erfolgt ausschließlich auf der Basis wie es ist sowie unter
der Bedingung, dass GDS keine wie immer geartete Haftung für die Anwendung,
den Einsatz der Goodies übernimmt.
Das GDS-Angebot umfasst derzeit ein Objektvolumen von fast 200 GB. Der
größte Teil davon entfällt auf Software, im Besonderen auf Open-Source
Software, ferner Freeware sowie Software, die im akademischen Bereich lizenzgebührenfrei
eingesetzt werden kann. Darüber hinaus wird im extensiven Ausmaß einschlägiges
Referenz-, Dokumentations-, Orientierungs-Material sowie Meta-Information
auf relevante Sites im Internet kontextorientiert angeboten und laufend
gepflegt.
Eine erschöpfende Aufstellung aller im Angebot befindlichen Komponenten
würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Es soll daher lediglich auf
eine alphabetische Aufstellung von häufig bezogenen Goodies hingewiesen
werden (s.a. GDS-Homepage http://gd. tuwien.ac.at/).
Darüber hinaus erfreut sich Software in folgenden Kategorien einer besonderen
Beliebtheit:
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Betriebssysteme
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Computer-Mensch Interactions-Software, -Bibliotheken
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Cryptographische Software
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Dataenbanksysteme
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Datenvisualisierungs-Software
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Elektronischer Text
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FAQs: Häufig gestellte Fragen mit Antworten
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GNU-Software
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Graphik-Software, -Bibliotheken
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Hardware-spezifische Software, Driver
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Informations-Systeme, Server, Clients, Tools
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Plattform-orientierte, ausführbare Software (für PCs, Workstations)
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Programmiersprachen
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Publishing-Software
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Scientific-Computing-Software
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Software Engineering
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Systems Engineering
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System-Utilities
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Textverarbeitung
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Verteilte Systeme
Hinter den Kulissen: Day-To-Day Management
Der tägliche Betrieb des GDS umfasst längerfristige Planung sowie tägliche,
intensive Beschäftigung mit Aufgaben in den folgenden Kategorien:
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Service-Angebot: Aktualisierung, Anpassung
Die im Programm-Angebot des GDS
befindlichen Bestände müssen unter Rücksichtnahme auf viele Spezifika der
Quellen-Sites in regelmäßigen Abständen durch geeignete, individuelle Mechanismen
automatisch aktualisiert werden.
Darüber hinaus ist es notwendig, durch
kontinuierliche Verfolgung des "Geschehens am Internet" über einschlägige
Informationsquellen das GDS-Angebotsspektrum laufend zu vervollständigen,
zu erweitern und an die Anwenderbedürfnisse anzupassen. Anregungen sowie
Vorschläge seitens der GDS-Klientel werden stets gerne mit berücksichtigt.
-
Service-Mechanismen: Aktualisierung, Anpassung
alle im Einsatz befindlichen
Service-Mechanismen (Server, Betriebssystem, Skripts u.v.a.m.) müssen laufend
am neuesten Stand gehalten werden, um möglichst maximale Service-Verfügbarkeit
und -Robustheit zu gewährleisten.
-
Angebots-Nutzung: Auswertung
Die beschränkt verfügbaren Ressourcen, vor
allem die Plattenkapazität, machten es erforderlich, veraltete sowie minimal
gefragte Objekte über längere Zeiträume aus dem Angebot zu entfernen.
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Betriebsmittel-Nutzung: Überwachung
Der optimale, zweckmäßige Einsatz verfügbarer
Betriebsmittel (Arbeitsspeicher, CPU, Inet-Bandbreite usw.) setzt eine
laufende Überwachung der Nutzung sowie Auswertung der Nutzungsdaten voraus.
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Service-Bestände: Sicherung (Backup)
Eine angestrebte, hohe Service-Verfügbarkeit
bringt es mit sich, sowohl systemspezifische wie auch angebotsspezifische
Komponenten regelmäßig zu sichern, um im Ausnahmefall in der Lage zu sein,
rasch den gestörten Betrieb wieder rekonstruieren zu können. Die Sicherung
der am GDS in Frage kommenden Bestände ist keine ausgesprochen triviale
Angelegenheit.
-
Service-Zugang: Sicherung (Security)
Wie aus eigenen Erfahrungen ausreichend
bekannt, kann dem besten Service ohne Beachtung umfassender Security-Maßnahmen
keine all zu lange Lebensdauer beschieden werden. Wenn davon ausgegangen
werden kann, dass praktisch jede Software in Hinblick auf Zuverlässigkeit,
Security und andere Eigenschaften kaum eine definitive qualitative Aussage
erlaubt, ist die Verfolgung der Trends sowie entsprechende kontinuierliche
Anpassung der eingesetzten Software und Mechanismen an den neuesten Stand
der Erkenntnis die zwingende Folge und das Gebot der Stunde.
GDS-Nutzung, Ausblick
Den bisher beobachteten Download-Statistiken gemäß lässt sich sagen, dass
sich der GDS einer steigenden Beliebtheit erfreuen kann. Das Download-Volumen
betrug im Jahre 1998 über 1.2 TB bei beachtlichen Steigerungsraten der
vorangegangenen Jahre. Auch für dieses Jahr kann, dem allgemeinen Bedarfstrend
folgend, mit einem weiteren Anstieg des Download-Volumens gerechnet werden.
Im Laufe des kommenden Jahres soll eine spürbare Aufstockung der operationalen
Speicherkapazität realisiert werden.
Der Open Source Software gehört die Zukunft. Mit ihrer weiteren massiven
Verbreitung kann sicher gerechnet werden.
Zum Inhaltsverzeichnis, ZIDline 2, Dezember 1999