Windows NT 5.0
Walter Selos
Die neue Version von Windows NT wird ja nun schon seit geraumer Zeit angekündigt
und es sind auch Betatest-Versionen im Umlauf. Optimistischen Aussagen
zufolge könnte 5.0 Mitte 1999 auf den Markt kommen, zuvor ist noch eine
Beta3-Version geplant. Ob die Umbenennung des Produkts auf Windows 2000
Rückschlüsse auf den Fertigstellungszeitpunkt zulässt, weiß man nicht.
Für den Anwender stellen sich die Fragen: Welche neuen Funktionen wird
5.0 haben, was sind signifikante Änderungen, welche sich auf die eigene
Installation auswirken und zahlt sich eine Umstellung für meine Installation
aus?
Da ich das Mircosoft-Seminar Upgrading to Win- dows NT 5.0 besuchen konnte,
war es mir möglich, mir einen gewissen Überblick über das Thema zu beschaffen
und ich möchte die wichtigsten Highlights und Änderungen hier anführen.
Hier die wichtigsten Neuerungen
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Das Domänenkonzept wurde völlig überarbeitet
Es ist zwar möglich, das alte
Konzept zusätzlich beizubehalten (mixed mode), alle Vorteile des neuen
Konzepts kann man aber nur durch Migration auf den native mode ausnützen,
was allerdings irreversibel ist. Danach gibt es keine Primary- und Backup-Domänenkontroller
mehr sondern mehrere gleichberechtigte Replicas.
Die Domänenstruktur muss
streng hierarchisch aufgebaut sein, die Trusts sind in vertikaler Richtung
definiert und optional in die unteren Ebenen vererbbar. Das Verschieben
von Teilbäumen innerhalb eine Baumes ist möglich, um Veränderungen der
betrieblichen Organisationsstruktur leichter auf die Domänenstruktur abbilden
zu können.
Hat man z.B. bis jetzt mehrere trusted domains, muss man jetzt
eine (leere) übergeordnete Domäne definieren, für welche die bisherigen
Domänen als Subdomänen gelten. Innerhalb von Domänen kann man eine Unterstruktur
mittels organisational units implementieren. Es ist möglich, zwischen
mehreren Bäumen Trusts einzurichten (forests). Abgebildet wird diese
gesamte Struktur auf DNS-Namen, wie sie jedem Internetanwender bekannt
sind (z.B. pc1.xxx.tuwien.ac.at). Die Verwaltung dieser Struktur wird mittels
eines Directory- Services Active Directory (ähnlich Novell NDS und LDAP)
realisiert. Um nicht sämtliche Änderungen in der Domänenstruktur auf einem
DNS-Nameserver in statische Tabellen eintragen zu müssen, wird ein dynamisches
DNS-Protokoll verwendet. Hat man keinen Zugriff auf einen Nameserver, der
das kann, muss man auf einem seiner NT-Server dieses dynamische DNS einrichten
(geht gar nicht so schwer, sofern man weiß, wie DNS funktioniert ..., vor
allem wenn man keine Insel- lösung will, sondern auch Verbindung zum übrigen
Internet braucht). Etwaige Auswirkungen aufs TUNET (z.B. Namensvergabe)
sind da sicher zu berücksichtigen.
Es können zwar weiterhin NETBEUI und
IPX installiert werden, es war aber offensichtlich das Ziel, vor allem
die Namenauflösung der Netbiosnamen nicht mehr zu verwenden, man denke
nur an den Netzwerkverkehr, den das Browserservice bisher verursacht.
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Filesysteme
Eine neue Version des NTFS wird implementiert, welches nun Diskquotas
unterstützt (gibt's schon lang unter UNIX, Linux und VMS).
Es ist nun möglich,
dynamische Volumes anzulegen, welche beliebig erweiterbar sind (ist in
der Beta2 noch etwas instabil: es tut zwar das Richtige, mir fehlte aber
nachher eine DLL-Library, welche mit der ganzen Thematik gar nichts zu
tun hatte!).
DFS (distributed Filesystem): Alle Filesysteme in einem Verzeichnisbaum,
® siehe UNIX (alter Hut, aber praktisch).
FAT32 wird nun auch von der eigenen
Firma unterstützt (endlich Konkurrenz zu Linux ... ).
Ein Encrypted Filesystem
kann installiert werden.
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Softwareinstallation
Es gibt einen neuen Microsoft-Installer, welcher auch
ein funktionierendes Uninstall bietet. Voraussetzung ist, die zu installierende
Software unterstützt diesen Installer.
Vom Registry-Konzept wird wieder
etwas abgerückt, und Meta-Files werden zur Konfiguration einzelner Applikationen
und Softwarekomponenten verwendet.
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Hardware
Die Hardwareanforderungen sind wesentlich höher als für NT 4.0:
z.B. für den Server 5.0, Beta2 sind mehr als 130 MB Speicher sinnvoll.
PnP-Support
(für plug-and-play Hardwarekomponenten). Was Windows 95 und Linux bisher
konnten, soll nun auch in Windows NT implementiert werden. Wünschenswert
wäre, wenn man als Systemadministrator mehr Einfluss darauf nehmen könnte,
als in Windows 95/98 vorgesehen.
Ebenso werden USB und Firewire unterstützt.
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Sonstiges
Für das Systemmanagement dient jetzt eine auf dem Web-Browser
basierende Management-Console, alles ist jetzt etwas anders eingeräumt
und die Systemadministratoren können einer längeren Eingewöhnungsphase
entgegenblicken ...
Zero Administration Kit (da bin ich mit meinen über
25 Jahren EDV-Erfahrung etwas skeptisch, aber man ja soll die Hoffnung
nicht aufgeben ... ).
Windows-based Terminal Server (Hydra): man kann sich
nun endlich von einer anderen NT-Workstation einloggen und die Oberfläche
auf die eigene Maschine bekommen (siehe UNIX, siehe X11, ebenfalls alter
Hut, sollte aber bei einem Multiuser-Betriebssystem nicht fehlen; die,
die mit UNIX/Linux/VMS arbeiten, werden's verstehen ... ). Leider ist's
nicht X11, da muss man was dazukaufen !
Ermöglichen von anderen Shells /
Skriptsprachen z.B. Visual Basic, Perl, Rexx ...
Verbessert: Backup-Utility,
Scheduling, RAS,
IP-Security
Resümee
Es ist die Tendenz zu erkennen, bisherige Mängel zu beheben wie z.B. Möglichkeiten
zu implementieren, die es in anderen Welten (z.B. UNIX) schon längst
gibt. Die Integration in TCP/IP gestützte Netzwerke könnte besser werden,
es wird weniger Bandbreite durch das Fehlen eines Browserservices benötigt.
Andererseits steigt, vor allem durch das neue Domänenkonzept die Komplexität
beträchtlich, was sich in längeren Vorlaufphasen vor allem bei größeren
Installationen, in erhöhten Ausbildungskosten des Betreuungspersonals (laut
inoffizieller Schätzung eines Schulungszentrums wesentlich längere Einschulung
nötig) und, sollte die Auslieferung zu früh erfolgen, auch in der Betriebssicherheit
niederschlagen könnte.
Meine Erfahrung zeigt, dass die Beta2-Version noch etwas instabil ist und
nur zu Testzwecken verwendet werden kann.
Was die Frage betrifft, ob sich eine Umstellung auf die neue Version lohnt,
soll man Folgendes in Betracht ziehen:
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Es ist nicht ratsam, die Umstellung mit Hilfe einer Betaversion zu beginnen,
niemand garantiert, dass ein Upgrade auf die final version möglich ist,
und, wenn man aus der Vergangenheit extrapoliert, ist es auch nicht so.
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Das neue Domänenkonzept ist sehr leistungsfähig, ist meiner Meinung nach
aber für große Organisationen mit einer klaren (wenn auch veränderbaren)
hierarchischen Organistionsstruktur gedacht. Sehen Sie sich die neuen Möglichkeiten
gut an (Einrichten von Testdomänen, Besuch von Seminaren etc). Falls Sie
dann erkennen, das neue Konzept entspricht Ihren Wünschen wesentlich besser,
sollten Sie einen Upgrade in Erwägung ziehen, aber mit der Endversion,
und auch nur dann, wenn diese wirklich stabil wird. Denken Sie auch daran,
die Hardware aufzustocken (vor allem mehr Hauptspeicher !) und vergessen
Sie dabei nicht die Clients, die nun auch alle unter 5.0-Workstation laufen
müssen, um das neue Konzept im native mode realisieren zu können.
Die Beta-Versionen werden im Betasoft-Bereich am Softwareserver zum Testen
zur Verfügung gestellt.
Sollte ich weitere relevante Informationen bekommen, werde ich Sie informieren.
Zum Inhaltsverzeichnis, Pipeline 26, Dezember 1998